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Diesen Brief schreibt Adelheid "Adele" Frank nach dem Tod ihres Vaters
aus ihrem Elternhaus, wo sie mit ihrer Schwester Christel jetzt nur noch zu
Besuch sein kann bei Traugott Hahn, dem Nachfolger ihres Vaters im Pastorenamt
in Wolde. Er ist gerichtet an ihre Schwester Elwine, die zu der Zeit in Moskau
lebt und ihr Kind erwartet.
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Wolde, den 28. Juli 1873
Herzlich geliebte Schwester!
Grüß Dich Gott aus der alten geliebten Heimat viel tausend Mal! Sei
im Geiste innig ans Herz gedrückt, du theure Schwester so fern! O, wärst
du auch unter uns im theuren Vaterhause! Es ist Sonntag-Morgen. Die wohlbekannten
Töne der Turmglocken erklingen wie einst; versammeln die Kirchleute zum
Gottes Hause wie einst und doch ist´s hier fremd so fremd. Nein ich will
dich und mich nicht traurig machen, jetzt wo wir ja so unendlich viel Grund
zum Loben und Danken haben mit Dir. Schwesterchen, welch selige Nachricht brachte
uns dein letzter Brief! Wir erhielten ihn in der Stadt, mussten uns mit ...lange
umschlungen halten und Freudentränen fliessen lassen. Der Herr lasse seinen
heiligen engel stets Dich umlagern auf allen Deinen Wegen und Dich in ihren
Gnadenschutz nehmen bis an den frohen Tag, wo Du uns die Freudenbotschaft senden
kannst: Der Herr hat Großes in mir getan, des bin ich fröhlich!-
Das walte Gott aus Gnaden. Täglich gedenken wir fürbittend Deiner
in unserem Gebet, und viele tuns hier mit uns. Wir konnten´s nicht unterlassen,
so manchen vorhandenen Mitwissen, daß sie inig Teil daran nahmen, von
Dir zu erzählen und bei allen brachte die Nachricht Jubel hervor. Schreib
uns Herzens Schwester, wenn Du so glücklich zu sein hoffen darfst!-
Den 30ten. Leider, leider läuft unser Aufenthaltstermin hier schon bald
ab, denn morgen schreiben wir schon August. Eigentlich sollte morgen schon meine
Schule beginnen, habe mich aber beschwatzen lassen noch zu bleiben, denn es
ist hier doch trotz vielem schweren so lieb und heimatlich. O du Heimathflur,
o du Heimathflur lass zu deinen selgen Raum, mich doch einmal nur, mich doch
einmal nur, infliehen im Traum! Dachte und seufzte ich oft, und der Wunsch ist
erfüllt, mir ist aber wirklich immer wie im Traum zumuth. In den lieben
alten Räumen, in der bekannten Umgebung von Garten, Feld und Wald täglich
sich jetzt wieder bewegen zu können, ist gar zu lieb und erquicklich und
wiederum schmerzlich denn auf Schritt und Tritt fehlt ein theures Haupt, fehlten
bei der Ankunft die offenen Vaterarme, die uns sonst immer hier empfingen. Doch
stilles Herz, du hast dennoch viel Grund zu loben und zu danken - weil die Cölnschen
(benachbartes Herrenhaus, d. Hrg.) uns so freundlich aufgefordert hatten
zu ihnen zu kommen, fuhren wir erst dort hin. Hahns hatten uns auch aufgefordert,
uns aber doch so fremd .....Tief wehmütig und schmerzlich gestimmt fuhren
wir also Wolde vorbei, wurden in Cöln gar herzlich und freundlich empfangen.
Ich musste weinen weinen. Alte treue Mari begegnete uns dort wie ein Stück
Heimat, und war uns ein rechter Trost. Oben bekamen wir unser Zimmer und machtens
uns so gemütlich wie möglich. Die Kinderchen in Cöln sind allerliebst,
besonders kleine Hilda, die einzige Tochter. So gemütlich wie früher
nie fühlten wir uns in Cöln. Denn wir taten und unterliessen was wir
wollten und alte Maris Gegenwarth war uns sehr viel wert. Von Dir mußten
wir ihr auch erzählen, was wir nun wußten. Gleich am anderen Tage
machten wir einen Spaziergang nach Wolde, und so alle folgenden Tage. Durch
den alten lieben Männik über die Weide war das alte liebe Bild ganz
unverändert. Die Kirche aber hatte ein so weißes Kleid angelegt,
und sah uns so freundlich an. Der H-- hat einen runden Weg bekommen, und die
alte Herberge fehlt ganz. Das liebe alte Haus blickte uns so freundlich an,
aber es gab einen schweren innerlichen Kampf zu bestehen ehe wir eintraten.
Ja da sah Vieles anders aus. Der Saal ist durch eine Wand abgetheilt, -----
hinten ist ihr Schlafzimmer und steht des Pastors Schreibtisch. Das alte Speisezimmer
ist Amtszimmer, unser früheres Schlafzimmer ist Speisezimmer. Besuchszimmer
und Gastschlafzimer sind die selben geblieben, und sitze ich eben im ersten
der Schlafzimmer wo wir beide in den schwarzen Betten aus unserer Zeit schlafen.
Das --heiße --Zimmer ist --- Lifes und --- Schlafzimmer und zwar der ---
Wölfin Tauch ihr Bett. Die Tür ins frühere Speisezimmer ist vermauert
und in die Küche eine neue eingebrochen. Das kleine Hintervorhaus ist auch
zur Küche hinzugenommen. So ists alles viel praktischer als bei uns war.
Sehr freute es uns auch die alten Leute meist vorzufinden. Also: Kleine Katni
und Lise. Letztere ist so kollossal dick geworden, daß man sie kaum erkannte,
die frühere Lukadai ist Viehmagd, alte Tina ist Schafsmagd, und KumiPeter
fungiert als --- und der kleine Michkel war bis vor kurzem hier Knecht. Also
alles alte Bekannte nur einen Kutscher haben Hahns sich vom Festlande mitrgenommen.-
In Cöln waren wir acht Tage, fuhren von dort aus zur Stadt. Christel und
--- wohnten dort wieder bei alte Tante Neti und Mimi, die uns ebenso mit Freundlichkeiten
überhäuften. Bruder Hans hatte uns nach Arensburg entgegengeschickt
und nachdem wir dort alle lieben Bekannten besucht gings in die Schwobe? auf
Hans Besitzung. Er war selbst nicht zu Hause, sondern auf dem Felde, wir durchstöberten
gleich alle pühaschen Räume die aus 4 sehr netten Zimmern bestehen.
Klein aber recht gemütlich. Zu unserem Empfang hatten die alten --- die
Paradezimmer tapezieren und die Dielen streichen lassen. Von tiefem ---- Wälder
ist Püha umgeben. Recht gemütliche Tage verbrachten wir da, kochten
und schmorten und beflickten den alten Jungen. Sein einziger dienstbarer Geist
ist sonst Mickel. Die ganze Nachbarschaft hat sich seiner sehr freundlich angenommen,
und ihre Häuser stehen ihm zu jeder Zeit offen. Im Briefschreiben ist und
bleibt er ein Faulpelz. Als zeichen seiner Liebe schickt er dir sein bild und
läßt sagen, daß er nächstens gewiß schreiben wird.
Christel hatte nicht übel Lust bei Hans zu bleiben, wir sind aber alle
zu ängstlich, denn --- urpital ists noch lange nicht mit ihrer Gesundheit,
wenn auch unvergleichlich viel besser. Wenns auch jetzt zum Herbst und Winter
geht, wäre es doch schrecklich, sie so allein tief im Walde zu wissen,
denn Hans ist doch den ganzen Tag über wenig zu Hause. Sie muß schon
wieder mit nach Pernau. Wenn ich durch die Schule nicht so gebunden wäre,
so könnte es vielleicht meine Pflicht sein, zum Bruder zu gehen; er selbst
sagt aber --- beide Schwestern oder keine, weil er eben auch nicht gern eine
von uns allein in seiner Waldeinsamkeit wissen möchte. Alter Milord ist
Hans grundmächten?. Das alte treue tier erkannte uns auch und machte seiner
Freude durch ein lautes Geheul Luft. Von Püha aus besuchten wir die Janmachsen
und Anselkühlschen. Elise Masung ließ dich grüßen. Aus
den Schneopel zurückgekehrt blieben wir noch zwei Tage in Cöln und
siedelten dann in unser altes theures Wolde über.
Am 3. August. Die lieben lieben Hahns machtens uns hier gar zu lieb und heimelich
wieder wa sie uns nur an den Augen absehen können, suchen sie uns recht
zu machen das wir uns oft recht schämen müssen. Wie haben sie für
unsere theuren Gräber freundlich gesorgt! Als wir zum ersten Mal hingingen,
wars dort eine Rosenpracht. Die Bäume beschatten auch so tief. Es sah wunderhübsch
aus. Hahns hatten auf die Wege weissen Sand fiehren lassen, die Monumente waren
bekränzt, auf den Gräbern frische Bouquetts in Wassergläsern,
und Astern gepflanzt. Freundlich und friedlich wars, und als wir an Vaterchens
Grab knieten, wars, als ob er uns segnend die Hände auflegte. - Alte Moodi
Rent reinigt dort immer getreulich; sie läßt Dich auch herzlich grüßen.
Die Leute bedauerns alle so sehr, daß Du ihnen so unerreichbar bist. Wir
müssen ihnen von Euch erzählen.- Heute feiert Hahn seinen 25. Geburtstag.
christel und ich hatten zwei Zimmer mit Eichenlaub bekränzt. Um 7 kamen
die Sänger 12 an der Zahl und sangen zweistimmig. Schulmeisters Anne ist
noch immer unverheiratet, obgleich sie fortwährend Anfechtungen durch Freier
zu bestehen hat. Orreli Wis ist auch ganz unverändert, lassen alle immer
grüßen. Ein neues Schulhaus wir nun endlich an die Stelle des alten
gebaut. Steinmanns und Buxhöveden waren heute hier Gäste. Den ganzen
Tag wars ein Trubel, daher ich jetzt todmüde. aus Pernau bekamen wir einen
Brief. Selma ist mit Maie nach Pernau gekommen und bleibt wohl einige Zeit.
Dienstag, am 7. reisen wir. Dann gehts nach der gründlichen Bummelei ans
scharfe Arbeitsleben, was auch wieder recht schön sein wird. Gott weiß
es aber ob wir Wolde noch jemals sehen werden. Hahns wissen noch nicht ob sie
bleiben, oder nach Saare gehen. Wolde gerade in ihren Händen zu wisssen
ist uns so lieb; nimmts wieder ein anderer wirds uns ganz fremd werden! Du liebe
Herzensschwester hätte wir dich und Bruder Adolph auch hier! Könntest
du doch mit uns die heimatlichen Fluren durchstreifen. Doch bist Du jetzt ja
in Deinem eigenen Heim so überglücklich und segne und behüte
Dich Gott der treue Herr. Schreib uns bald wieder. In Pernau erhalten wir Deinen
Brief. Die hier verbrachte Zeit wird dann schon wie ein schöner schöner
Traum hinter uns liegen.- Marie Dittmer kehrte vorgestern von ihrer Tante Wangenheim
aus dem Auslande zurück; wir grüßten sie nur einen Augenblick,
denn sie mußte gleich weiter. Nach Pyha geht sie nicht mehr. Verzeih bitte
mein Durcheinander aber ich bin sehr müde. Noch theile ich dir mit, das
Agnes Stein--- Braut ist von Pastor Mehlen in ---. Lebe wohl, Du herzenstheure
Schwester. die ganze Heimat grüßt Dich viel tausen Mal. Behüte
Gott Dich mit seinen heiligen Engelscharen in bevorstehenden schweren bis Du
glücklich leben und rühmen kannst. Und Adolf mit Dir in treuester
Liebe Deine Adele
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© Ekkehard Lauritzen
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