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Wolde, den 17. Juni 1870.
Meine theure Elwine!
Ein voller Monat ist verflossen, seit wir von Dir die letzten Nachrichten erhielten.
Auf meinen letzten Brief vom 28. Mai hätte auch schon eine Antwort hier
sein können. Nun werde ich wohl noch einige Zeit, vielleicht zwei Wochen
warten müßen, ehe ich etwas von Dir erfahre, da ich jeden Tag die
Kunoschen Leute erwarte, die mich zum künftigen Sonntage abholen sollen.
Den Johannistag werde ich wohl auch dort zubringen müssenu. dann hängt
es vom Wetter und vom Winde ab, wann ich von dort wieder fortkomme.
Adelheit wird mich begleiten. Christel ist mit ihrer Gesundheit noch immer nicht
in Ordnung. Die Heiserkeit, die sich jeden Abend bei ihr einstellt, will nicht
weichen. Nervös ist sie auch noch recht sehr. Sie soll nächste Tage
nun wieder ziemlich kühle Salzbäder anfangen. Die Schlammbäder
hält der Arzt nicht für ratsam. Es dauert mit der wiederherstellung
ihrer Gesundheit recht lange. Gott gebe, daß sie völlig hergestellt
werden möge. Adele ist, dem Herrn sei Dank, recht fix. Gern möchte
ich zurück sein von meiner Fahrt nach Runoe, wenn die Pernauer hier eintreffen.
Ich erwarte sie Ende des Monats. Erwin kann auch nicht vor dem 27. abreisen,
wo seine Schule geschlossen wird.
Mit Wilhelms Gesundheit steht es auch miserabel. Vom Sonntage Exandi bis Tormfelis(nicht
lesbar) hat er wegen Heiserkeit nicht predigen können. Dabei hatte er einen
bösen Husten. Möchte er doch die Stimme wiedererlangt haben. Ich hoffe,
daß sie beide kommen. Marie hat großes Verlangen uns wiederzusehen.
Wilhelm hatte eine große Arbeit, sein Personalbuch in Ordnung zu bringen.
Hier sind die Schulen schon gestern geschlossen. Die Mädchenschule dauert
noch bis zum 20sten. Tante Auguste (die Schwester von Bernhard Franks Frau,
d. Hrg.) wollte, wie ich vermute, mit ihren Kindern auch am 20sten ihre Reise
hierher antreten! Da wir aber wohl nicht vor dem 28sten zu Hause sein werden,
so habe ich gebeten, ihre Reise bis dahin zu verschieben. Ich bat sie neulich,
mir eine Mütze vom Kürschner mitzubringen, vergaß ihr aber das
Maaß zu schicken, was ich nun heute thue u. bitte ihr dasselbe abzugeben.
Auch wünsche ich, daß der Boden der Mütze nicht seidenes, sondern
ein ledernes Futter habe. Die Seitenwände können von Seide sein, weil
die Mütze sonst zu steif wird.
Am nächsten Sonnabend fährt die Pühasche (Pyha ist ein Nachbar-Kirchspiel,
Hrg.) Gouvernante, Frl. Vogel, zu den Ferien nach Reval. Ich würde ihr
den Brief zuschicken, wenn ich nur eine Gelegenheit nach Püha wüßte.
Sie soll ihrer Gesundheit wegen, wie ich höre, das Unterrichten für
eine Zeit lang aufgeben müssen. Wahrscheinlich kehrt sie dann nicht mehr
zurück. Weißt Du, daß Pauline Fock Braut mit dem Pastor Kaehlebrand
von Andern ist. Sie hat es Adele mit der letzten Post selbst gemeldet, nachdem
wir 8 Tage vorher durch Marie es erfuhren. Wir haben uns alle herzlich darüber
gefreut. Ssie kommt also diesen Sommer nicht her u. wohl nie mehr. Da wir dich
diesen Sommer auch nicht sehen sollen, so hoffe ich es doch im nächsten,
so Gott Leben schenkt. Bei uns geht es sonst nach dem Alten. Ich werde auch
meinen Husten nicht los, sonst geht es passabel u. ginge es vortrefflich, was
die Gesundheit betrifft, wenn diese Steifheit im Kreuz u. von Zeit zu Zeit die
Magenbeschwerden nicht wären. In der vorigen Woche war ich vier Tage zur
Synode in der Stadt, Christel begleitete mich hin, Hans holte mich ab. In dieser
Woche fahren die beiden Mädchen, um einen neuen Überzug für den
Sopha u. für die Stühle im Speisezimmer zu kaufen. Vor einer Stunde
fuhren sie nach Jöör, zu Ernestine St.s Geburtstag. Ich sitze also
allein im Hause, da Hans fast den ganzen Tag draußen ist. In der nächsten
Woche beginnt die Heuarbeit. Leider sind so wenig Hände zu haben, da die
meisten Kerle zur Arbeit auf´s Festland gegangen sind u. die Preise für
die Arbeit hoch sind. Heute sind 8 Geldarbeiter auf dem Kartoffelfelde beschäftigt,
das Unkraut u. die Ackerberenstengel ausreißen. Die Arbeit wird auch viele
Tage währen u. viel Geld kosten. Gottlob, wir haben nach den heißen
Tagen in der vorigen Woche, die das Land recht austrockneten u. die Menschen
erschlafften, am Montage den ganzen Tag hindurch von der vorhergehenden Nacht
an einen tüchtigen Regen gehabt u. alles steht frisch. Der Roggen hat aufgeblüht,
nur in der Gerste finden sich viel Meliloten(unleserlich), wohl folge des vorjährigen
schwachen Roggens. Am vorigen Donnerstag war beiCölln die Taufe u. wir
alle sowie das Woldesche ganze Kirchspiel, eingeladen. Wir waren alle da. Anefa
Thoni Lichonie Clares(unleserlich) war mit der Taufe gewartet. Sie kam am Sonntag
vorher aus Leipzig. Es ist immer dasselbe nette niedlich naive Mädchen.
Die Mutter Clares kommt zu Johanni noch u. sollen bis zum September bleiben.
Nach der Taufe großes Mittagsmahl mit Champagner u. einer barbarischen
Hitze. die Kinder u. auch ich waren froh, als wir wieder in unserem alten Daheim
zurück waren. Die Jührschen sind auch seit 1 1/2 Wochen auf dem Lande
u. Wilhelmine ist glücklich wieder hier zu sein. Sonntag waren sie in der
Kirche, wie auch die Cöllnschen. Jeanette hat wohl aus Riga, aber noch
nicht aus dem Auslande geschrieben.
Nun behüte Dich, mein Herzenskind, Dein treuer Gott u. Heiland u. schenke
Dir ein Herz, das je ihm Treue hält. Von den Geschwistern u. mir herzliche
Grüße
In
treuer Liebe Dein Vater
Das Maaß zur Mütze ist am inneren Rand genommen. Christel u. Adele
kehrten eben zurück . lassen nochmals herzlich grüßen.
Anmerkung: Die Cöllnschen sind Baron Eugen Buxhöwden, Besitzer des
Gutes Cölln im Kirchspiel Wolde. Baron Buxhöwden ist dort Kirchenvorsteher.
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© Ekkehard Lauritzen
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