herzlich willkommen auf der homepage von ekkehard
lauritzen: Sitemap Impressum http://www.lauritzen-hamburg.de Hamburg, seite schliessen |
Druckversion
Wolde, den 17. Sept. 1870.
Meine herzliebe Elwine!
Das letzte Mal schrieb ich euch, d.h. Dir, Adele u. Tante
einen gemeinschaftlichen Brief, jetzt wirst du wohl allein in Reval zurückgeblieben
u. die beiden Anderen in Petersburg angelangt sein, wenn sie, wie Adele mir
meldete, am letzten Montage abgereist sind. Da ich nun heute Adelen nach Petersburg
geschrieben habe u. doch ein paar Wochen vergehen, ehe sie wieder zurückkehrt,
so sollst Du auch heute nicht ohne Nachrichten von uns bleiben u. hoffe ich,
werdest Du auch bald mich mit einem Brieflein erfreuen.
Was soll ich Dir von meinem Leben melden? Es ist so sterbenseinsam, daß
man es wohl nicht einsamer haben kann. Von John habe ich eigentlich seit Sonntag
Mittag so gut wie nichts gesehen, also in vier Tagen. Sonntag ging er auf die
Jagd, Montag früh wieder u. kehrte mit dem jungen Han von Naalöwel
erst spät Abends hierher zurück. (Letzterer hate einen Schulfeiertag).
Am anderen Morgen 4 1/2 Uhr fuhren sie zur Stadt, wo jetzt Viehmarkt ist u.
noch eben ist John nicht zurück (12 Uhr Mittags). Ich habe als das Vergnügen
mutterseelenallein hier zu calmäusern (?).
Am meisten beschäftige ich mich mit Zeitung lesen. Aus Cölln habe
ich die prächtige cöllnsche Wochenzeitung erhalten, die ausführliche
Berichte vom Kriegsschauplatze durch ihre Berichterstatter enthält. Adelchen
gönne ich von Herzen ihre Erholung in Petersburg u. rechne garnicht darauf,
daß sie vor Anfang Oktober zurückkehrt. Wio freilich seufzt und kann
ihre rückehr nicht erwarten. Ich weiß eigentlich nicht, weshalb?
Sie hat doch gewiß jetzt nicht mehr Sorgen als sonst. Einsam kann sie
es nicht haben, wie ich, da das Gesinde beisammen ist. Zum Besuchemachen bin
ich zu schwerfällig, am vorigen Freitage war ich in Cölln zum Beburtstag
der Baronin u. Pferdefüße zum Fahren habe ich auch nicht, da John
sie in anspruch genommen. Gottlob, daß wir in den letzten wochen solch
herrliches Wetter gehabt haben, es war ein rechter nachsomer. Heute ist es wieder
einmal bewölkt. Seit meiner Rückkehr haben wir nur einmal etwas Regen
gehabt, daher die Wege trocken wie im Sommer. Im Garten stehen die Astern, Zinnien
wohlriechende Erbsen, Levkojen u. Dalien in voller Blüte. Das wenige Obst,
namentlich Sommerobst, fällt nur so viel ab. Das letzte Getreide wird heute
eingefahren. die Roggen- und Weizenernte wird wohl hoffentlich gut sein. Gerste
aber u. vollends Hafer schwach. Nur die Kartoffeln stehen noch auf dem Felde,
der Wagen scheint endlich sein Werk beendigt zu haben. Zum nächsten Jahre
wird wenig Roggen im Lande geerntet werden. Es sieht an vielen Stellen schauerlich
aus. In der vorigen Woche haten wir den Verdruß, daß der wolf in
die Schafsherde brach, die auf dem Felde weidete und ein altes Schaf mitnahm.
Die Schreie der Hüterin störten ihn garnicht. In der Umgebung sollen
die Wölfe manchen Schaden angerichtet haben.-
Wann wird denn mal die Eisenbahn eröffnet werden? Ich hoffe, daß
Adele mit ihr bis Reval zurückkehren könnte. John will bestimmt ihr
bis Reval, wenn nicht gar bis Petersburg entgegenkommen. Wenn Du etwas über
Adeles Rückkehr erfährst, so melde es mir doch gleich, damit Hans
rechtzeitig in Reval eintrifft. Er spricht davon, Anfang Okt. hier abreisen
zu wollen. Hoffentlich kommt ein Brief aus Reval hier viel schneller an als
aus Petersburg, von wo er 6 -7 Tage braucht. Wenn Du mal Zeit hast, so erkundige
Dich bei Wassermann, ob meine angeschriebene Kriegskarte noch immer nicht angekommen
ist. Ich erwarte sie per Post sehnlichst. (Wassermann war ein Verlag und
Buchgeschäft in Reval, d. Hrg.)
Nun behüt Dich Gott, der Ewigtreue u. schenke er Dir Gnade, seinen guten
Willen zu thun. Mit herzlichem Gruße an dich und Eurem ganzen Hause legt
Dich ans treue Jesusherz
Dein alter Vater Fk.
Von Jeanette habe ich weiter keine Nachrichten erhalten, da ich nicht in der
Stadt gewesen bin. -
Besuch doch einmal Girgensohns, da er wie Adele mir schreibt, sie aufgefordert
hat, und er Dich ja auch aufgefordert hat.-
Wenn Adele zurückkehrt, so wünsche ich, daß sie mir etwa 10
Anröchelpflanzen u. ebensoviel Primelpflanzen, aber verschiedenfarbige
u. recht schöne mitbrächte, die im Herbst verpflanzt werden müssen.
Denke gewiß daran.
Beifolgendes Lied aus der Cöllnschen Zeitung habe ich Dir abgeschrieben.
seite schliessen
© Ekkehard Lauritzen
|