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Wolde, den 26. Nov. 1870.
Meine herzliebe Elwine!
Recht lange ist es her, daß wir keine Nachrichten von einander haben.
Unsere letzten Briefe sind von Oktober datiert, der Deinige vom 23. der meinige
v. 22. Sie kreuzten sich also auf ihrem Wege. Da wir von Woche zu Woche hofften,
wieder einen von Dir zu erhalten, so verschoben wir das Schreiben. Soviel wußten
wir wenigstens, daß Du gesund warst, wie Tante A. uns vor 8 Tagen meldete.
Gott gebe, daß es immer so gewesen ist. Bei uns ist es auch so ziemlich
gegangen. John hat ab und an einen ziemlich heftigen Husten, curiert ihn mit
Leinsamen u. läuft dann wieder hinaus, wo er den ganzen Tag sich herumtummelt
u. einen neuen Husten sich holt. Adeles Befinden ist, wofür wir den Herrn
zu preisen haben, fast immer gut gewesen. Mit mir geht es etwas holprig. die
alten Kreuzschmerzen machen jetzt anhaltend zu schaffen, so daß eine beständige
Steifheit im Kreuze da ist, nicht wie früher nur des Morgens u. beim Aufstehen
u. Niedersetzen mir das Kreuz schmerzt. Gestern kam uns noch eine Erkältung
hinzu mit gründlichem Fieber u. Schüttelfrost. In der Nacht habe ich
tüchtig geschwitzt, hoffentlich geht es damit vorrüber. Heute habe
ich natürlich Stubenarrest. Aus Pernau lauteten die Nachrichten, vor 8
Tagen erhalten, auch nicht gut. Marie hat wieder, wie Erwin schreibt, mehrere
Wochen an Heiserkeit u. Stimmlosigkeit gelitten, auch eine Woche lang das Bett
hüten müssen!
Von Christel wissen wir nichts, da sie während M´s Krankheit die
Ausrüstung der Hochzeit ihrer Küchenmagd Anna übernommen hatte,
namentlich das Backen u. daher selbst nicht schreiben konnte. Am vorigen Montage
feierte Wilhelm seinen Geburtstag, zu dem von hier aus geschrieben u. ein paar
Hasen geschickt wurden, die John geschossen hatte. Hoffentlich sind sie rechtzeitig
noch angekommen, wenigstens hat der Postillion sie mitgenommen, wenn er sie
nicht unterwegs hat lassen müssen, denn der kleine Sund ist bei dem lange
erwarteten Frost zugegangen u. die Post zu Fuß wohl hinübergekomen.
Jetzt wird kein Postillion mehr abgesandt, sondern die Postknechte bringen das
Felleisen (wetterfester Postsack, d. Hrg.) von Station zu Station, bis
beide Sunde tragen, das kann aber noch dauern. Angekommen sind freilich noch
die letzten beiden Posten, aber wer weiß, wie es weitergeht?
Wir freuen uns, daß der entsetzliche Koth und Schmutz endlich ein Ende
hat. Es hat hier beinahe zwei Monate Tag für Tag geregnet. Seit gestern
Abend ist die Erde mit einer weißen Schneedecke belegt. Zum Fahren im
Schlitten ist aber noch u wenig Schnee vorhanden. Ich habe bei diesem langen
Herbst im Garten alles an Blumenzwiebeln umpflanzen könen, wozu freilich
die Bauernjungen nicht zu bewegen waren. Sie haben ja in diesem Jahre zu essen,
wozu sollen sie arbeiten?
Die Feldarbeiten haben längst aufgehört, im Walde wird Strauch gerodet.
John will die Heuschläge rein haben u. hat Leute für Geld angenommen,
möchte er nur nicht mehr Geld ausgeben für Arbeit als das Land einträgt.
Drei Ochsen sind auf die Mast gestellt u. sollen im Frühling zu guten Preisen
verkauft werden. Rüben hat er ca. 200 Loef geerntet, so daß die Schafe
u. Schweine auch davon bekommen. Unsere Kartoffeln sind dieses jahr wohl schön
u. schmackhaftu. die Ernst war so gut wie nie früher. Die Riepen werden
wohl bis Febr. dauern, da sie spät anfingen, der Riepenbart ist aus Karrieshof,
zum Griese. Weizen haben wir da 10 te Korn geerntet, Roggen wird auch ergiebig
sein. Gerste u. Hafer sind aber schwach. Letzteres etwas über drei Korn,
Gerste wird auch nicht mehr sein. In diesem jahr machen sich die Raubtiere recht
bemerklich. vor ein paar Tagen schoß John einen Habicht im Garten, der
eben eine schöne Henne gestohlen, als ich in den Garten trat. Das Tier
hatte sich bis zum Baum vor dem Blumenbeet gewagt. Wölfe sieht man auch
beständig herumlaufen u. richten viel Schaden an. vorgestern kam ein großer
Wolf über das Jerwe Feld u. Jerwe Koppel gemütlich um die Mittagszeitgettrappelt,
war aber schon entwischt, als John ins Zimmer lief, um die Flinte zu holen.
Das sind Ereignisse aus unserem Stillleben.
Außer dem kleinen Jacobus aus Jöör, der zu Fuß noch in
dieser Woche hier war u. mich beinahe zu Tode schreckte, sahen wir Niemanden.
In Cölln ist ja auch drei Wochen lang Krankheiten gewesen. Wenn wir erst
Schlittenbahn bekommen, so rühre ich mich nicht vom Hause, auch nicht vor
Weihnachten, ich vertrage es nicht bei diesem ....zu fahren. Mit dem nächsten
Sonntage beginnen wir ein neues Kirchenjahr. Segne es der herr Dir u. uns allen
zum Ergreifen seiner theuren Gnade. die Gnadenszeit eilt dahin u. wir sind gar
lässig das Nothwendige zu suchen. Der Herr wecke uns aus unserem Schlafe
auf, auf daß wir unser Heil nicht verscherzen. Kehre bei uns ein, Du Gnadenkönig
u. mache unsere Herzen zu Deinem Eigenthum. Jesus segne Dich, mein theures Kind,
an Seel und Leib. Wollen wir fleißig füreinander beten.
In treuer Liebe schließt dich ins Herz
Dein alter Vater F.
Grüße Tante A. u. alle, die unser gedenken, auch die alten Thomsen.
Heute ist meines unvergeßlichen Freundes Todestag u. er schon 4 Jahre
beim Herrn.
Nächstens schreibe ich Tante. Heute ist es mir nicht möglich. Auch
bitte ich Louise R. u. die Generalin zu grüßen.
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© Ekkehard Lauritzen
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