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Wolde, den 27. Mai 1870.
Meine theure Elwine!
Dein lieber Brief vom 14.
d. m. ist lange Zeit der einzige, den wir aus dem Festlande erhalten haben.
Der letzte von Pernau war vom 28. April datiert. Somit wissen wir von dort nichts.
Auch von Tante A. sind lange keine Nachrichten eingegangen. Zum Feste haben
wir also keine mehr zu erwarten. Erwin schickte ich gleich nach Ostern Geld
zu neuer Sommerkleidung u. auch darüber habe ich keine Antwort, ob er es
erhalten. Du siehst also, daß es uns nicht viel besser als Dir mit den
Nachrichten von den Geschwistern geht. Also diesen Sommer sollen wir Dich auch
nicht bei uns sehen. DAs that uns leid, wir wären es zufriedengewesen,
wenn Du auch nur auf einige Tage gekommen wärest, aber wenn man von anderen
abhängig ist, so muß man sich in ihren Willen schicken! Hoffentlich
sehen wir Dich dann doch, wenn Gott Leben u. Gesundheit schenkt, über´s
Jahr wieder. Ob jemand aus Pernau, außer Erwin kommt, wissen wir auch
noch nicht.
Nachdem ich dem Consistorium erklärt, daß ich bereit bin, unter den
gegebenen Bedingungen nach Runoe zu fahren, habe ich nichts weiter erfahren.
Um 3 Wochen soll da die erste Fahrt stattfinden. Um 1 1/2 Wochen haben wir Synode
in Arensburg, da wird wohl das Übrige besprochen werden. Heute schreibt
mir Hertel, daß Runoesche Leute in dieser Woche in der Stadt gewesen sind
u. gemeinthätten, es wäre wohl ganz gut, wenn ich käme, aber
was hülfe es, wenn ich nicht schwedisch predige? Das bin ich aber nicht
im Stande. Ich will mich wohl an Moselli mit der Bitte wenden, mir schwedische
Bücher, vor allem eine Postille zu verschaffen, wann werde ich die bekommen?
Hier gibt es deren natürlich nicht.
Unser Leben ist still dahingegangen, oder vielmehr mein Leben. Dagegen haben
die Kinder Besuch gehabt u. manch fröhlichen Tag verlebt. Mit Christels
und Adeles Gesundheit geht es, Gottlob, wieder ziemlich gut. Den ....sind sie
glücklich losgeworden, nachdem sie 8 Tage und 1 1/2 Wochen Stubenarrest
ausgehalten. Am Abend vor Himmelfahrt kamen die Cabbilschen Kinder mit Ausnahme
von Marie, die keine Erlaubnis dazu bekommen, her u. brachten den Himmelfahrtstag
hier selbst zu,worauf sie am anderen Morgen 6 Uhr wieder abfuhren, weil Jeanette
Stunden zu geben hatte. u. Mazo in die Schule mußte. Am Nachmittag des
Himmelfahrtstages zwischen 6 u. 7 Uhr senkten wir die Überreste unseres
süßen Allachens unter Gesang u. Gebet ein. Jetzt schmücken schon
darauf gepflanzte Blumen ihr frisches Grab. Aus dem Dorf waren recht viele Leute,
u. namentlich Kinder gekommen, die am Abend hier gespeist wurden. Mit den Cabbilschen
fuhren Christel u. Hans Freitag zu Stadt, um mit Jeanette noch einige Tage zusammen
zu sein, die am Pfingstmorgen ins Ausland reist, letzterer um sich bei dem Unternehmen
dem Grobst d.J. mit einer Dampfmaschine das Korn in ....Ringe zu dreschen zu
beteiligen. Von Riga aus kommt ein Locomobil mit davon her u. wird per Dampf
dreschen, wo es gemäht wird. 13 Güter, darunter Malowel, Jüürs,
Colle u. Wolde-Pastorat, wollen sich daran beteiligen. Es wird aber einige 50
oder mehr Rbl. für uns kosten, dafür ist das Korn in 2 od. 3 Tagen
alles gedroschen, gedörrt und gewindigt. Viele Herren haben sich nicht
dazu entschließen können, so auch der alte Pyha´sche u. sind
beim alten Dreschen geblieben. Möchte der Hans sich nur nicht dabei die
Finger verbrennen. Christel blieb bis Montag in der Stadt, am Sonntag früh
fuhr Adele auch hin, um sie abzuholen u. Montag Abend spät kehrten sie
hierher zurück u. haben sich prächtig amüsiert. Jetzt gibt es
wieder auf dem Lande alle Hände voll zu thun, gestern wieder gewaschen,
Hans läßt Dünger fahren u. trabt immer mit den Fuhren mit, ist
so eifrig, wie einer sein kann, im Garten war gestern Abend noch Blumen und
Kohl zu pflanzen, das dauerte bis halb 10 Uhr. Zum Seifekochen sind die Kinder
noch nicht gekommen. Das soll gleich nach den Feiertagen vorgenommen werden,
ebenso der Beweiß der Zimmer. Die Witterung war bisher recht rauh u. windig,
nur der Himmelfahrtstag schön u. ebenso der letzte Montag recht warm, aber
seit Wochen haben wir keinen Regen. Die Gerste u. Kartoffeln schmachten danach.
Gott gebe uns aus Gnaden doch recht bald Regen u. warmes Wetter. Die Obstbäume
blühen eben, aber was wird daraus werden, wenn es nicht warm wird.
Der treue Herr segne Dich u. das Pfingsfest und gieße seine Geistesströme
über uns aus. Unser Herz ist sonst ja noch dürrer als das ....Erdreich.
Auch Tante bitte ich meinen Pfingstwunsch abzustatten u. sie zu grüßen.
Mit herlichem Gruß von uns allen schließt Dich ans Herz in Liebe
Dein treuer Vater F
Freundlichen Gruß Deinen lieben
Hausgenossen. Im Augenblick werde ich zu einer Kranken abgeholt.
Heute ist Steinmanns Geburtstag. Am Nachmittag müssen wir wohl hin.
Wir wissen, was wir von den Erzählungen, die wir vielleicht im Sommer hören
werden, zu halten haben.
"Das oeselsche Ackergerät! Die Arbeitswagen hatten sämtlich
Räder ohne Eisenreifen. eiserne Eggen waren ein unbekanntes Werkzeug, höchstens
besonders vorgeschrittene Güter hatten solche. Wendepflüge kannte
man meist nur vom Hörensagen. Bei den "steinreichen" Feldern
Oesels waren sie allerdings so gut wie unbrauchbar. ... Nicht einmal der livländische
soganannte Hakenpflug wurde irgendwo angewandt. Man brauchte einen Pflug von
der allerprimitivsten Form. Ein länglich dreieckiges Brett, an der unteren
Spitze mit etwas Eisen beschlagen, das war die ganze Pflugschar, von der die
Oeselander Bauern in vollem Ernst behaupteten, der liebe Gott habe gleich bei
der Erschaffung der Welt für Oesel diesen Pflug miterschaffen. Nur dieser
Pflug könne und dürfe in Oesel gebraucht werden." (Traugott
Hahn, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 57.)
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