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Wolde, den 2. April 1870.
Meine herzliebe Elwine!
Gern hätte ich die Beantwortung Deines L. Briefes, den wir gestern erhielten,
bis zum nächsten Posttage verschoben, da ich heute voller Eile bin, weil
ich jeden Augenblick Leute zur Brautlehre erwarte u. dann Konfirmandenlehre
habe, aber der Sund soll, wie ich höre, recht schlecht sein u. da fürchte
ich, daß bei der Verzögerung du am Ende zum Osterfeste ohne Brief
bleiben könntest. Gestern nachmittag sollte geschrieben werden, da fand
ich wieder den Cöllnschen schon vor, als ich aus der Lehre kam, und es
wurde wieder nichts aus dem Schreiben, da er bis abends blieb. Wenn also auch
nicht viel heute aus dem Schreiben wird, so soll es doch Dir Nachrichten von
unserem Befinden geben. Gottlob geht es uns im Ganzen ziemlich gut, Christel
ist freilich immer ein schwaches Kind, das sehr geschont werden muß. Sie
muß sich in letzter Zeit wieder ordentlich erkältet haben, denn seit
ein paar Wochen hustet sie viel, namentlich morgns und abends. Es ist aber in
den letzten Tagen mit dem Husten doch besser geworden. Wahrscheinlich hat sie
sich in der Kirche oder auf der Fahrt nach Cabillar erkältet. Jetzt darf
sie garnicht mehr in die Kirche, bevor dieselbe wärmer wird. Husten ist
jetzt freilich auf der Tagesordnung. Ich selbst leiste darin auch etwas Gehöriges.
Adele u. Hans sind noch am besten durchgekommen, obgleich letzter gestern über
einen steifen Nachen klagte, den er sich wohl in dem Moraste zugezogen, wo er
sich im fußtiefen Wasser tagelang herumtreibt. Er hat jetzt den Morast
hinter dem Garten unter Wasser gesetzt u. den Bach gedämmt, um im Sommer
mehr Heu zu erzielen, sobald es warm wird, soll das Wasser wieder abgelassen
werden. Das ist auch ein Kunststück der neuen Landwirtschaft. Außerdem
läßt er in Hauptsache den Pittas mägggi einzäunen und von
der Wand einen eingezäunten Weg dorthin ziehen lassen u. beabsichtigt auf
dem Hügel im Sommer einen Arbeitsochsen zu halten u. später sie zu
mästen, damit sie für einen guten Preis im Herbst verkauft werden
können - es wird mit allem Eifer gewirtschaftet. Nach Ostern beginnt ja
schon die Gartensaat. Endlich ist der Frühling erschienen, der Schnee ist
ganz geschmolzen, nur im Heuschlage (Hauptschlage?) sieht man hier und da welchen.
Lerchen, Stare, Finken jubeln über das erwachende Leben in der Natur. die
Schneeglöckchen blühen bereits, auch die blauen Anemonen stecken ihre
Häupter schüchtern hervor. Tagtäglich haben wir das schönste
Wetter gehabt, nur wünschen wir uns noch Schnee oder Regen für die
trockenen Felder. Wenn die Wege nur trockener wären, der Schmutz ist noch
groß genug, aber hoffentlich wird es zu Ostern etwas angenehmer draußen
sein. Sonnabend gedenke ich meine Lehre mit 50 Knaben (Kurben?) zu schließen
u. Palmsonntag sie zu confirmieren. Ich bin herzlich froh, daß es dem
Ende entgegengeht. Die Lehre habe ich im Speisezimmer halten müssen, da
ein großer Teil der Herbergslage eingestürzt ist. Du kannst Dir denken,
was das für eine Ausdünstung u. Hitze im Zimmer ist. Ich komme gewöhnlich
ganz erhitzt aus der Lehrstunde.
Du lebst also, obgleich in der Stadt,
auch recht still. Ich könnte mich garnicht mehr an ein anderes als ein
ländliches Stilleben gewöhnen. Gott sei gedankt, daß Dein Unwohlsein
nicht von längerer Dauer. Siehst Du Tante auch bisweilen? Heute müßte
ich ihr anworten, aber weiß nicht, ob ich dazu komme. Wenn nicht, so entschuldige
mich bei ihr, grüße sie herzlich u. wünsche von uns ein gesegnetes
Osterfest. Nach Pernau bin ich auch seit Wochen eine Antwort schuldig. Adele
wird es wohl heute für mich thun müssen.
Sonnabend
war ich in Cölln u. reichte dort das Abendmahl.
Hier fehlt ein Teil wegen Auflösung
des Briefpapiers. Es geht um Nachrichten über Nachbarn u. über in
den April geschickte Kollegen.
Die heilige Leidenszeit des Herrn naht
heran. Er segne mein Herzenskind, auch in Deinem Herzen u. beschütze dasselbe
in heiliger Buße u. Glauben. Er ziehe mit seinem Osterfrieden bei Dir
ein. In seiner Liebe schließt dich ans Herz u. grüßt Dich von
uns
Dein treuer Vater
Grüße Deine Freundi von uns u. die Generalin.
Einliegenden Brief bitte ich Tante zuzuschicken.
Versuch, liebes Kind, mit Deiner Gage auszukommen, man muß sich nach dem
Beutel strecken! Mach keine Schulden, sie sind die rechten Blutsauger. Ich habe
in diesem Jahre recht (unleserlich).........erfahren? Einmal 1,50 Rubel
u. später 3,50 Rubel eingenommen.
Hätte
ich Geld, so würde ich dir aushelfen. Ich bin aber selbst in Verlegenheit
u. werde, wie ich voraussehe, für die neu organisierte Wirtschaft nicht
geringe Abgaben haben, - denn Hans hat ja nichts u. braucht zu den vorgenommenen
Arbeiten u. Geräten Geld.
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© Ekkehard Lauritzen
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