Bau des Hindenburgdamms im Spiegel der Morsumer Gemeindechronik
(verfasst von Pastor Hans Johler): 24. November 1924
Ankunft der Schienenleger für die vorläufige Inselbahn beim Pastorat
auf Bahnhof "Morsum". Die Schienen werden gestreckt durch Kolonne Inzelhofer.
die Arbeiter werden vom Pastor begrüsst.
6. Dezember 1924
Weiherede von Pastor Johler bei der 260 m langen Nösse-Brücke, dem Anfang
des diesseitigen Dammbaus nach dem Festland. "Mögen die Fussstapfen
der Baumeister und Arbeiter im Wattenmeer sein wie von Eisen und Erz", und
alles menschliche Wirken dem Weltenbaumeister befohlen sein!
Januar 1925
Beginn der Bagger-Arbeiten auf Nösse für den Damm nach zum Festland
und Einsetzen der Arbeiter-Seelsorge (durch Pastor Johler, der Herausgeber) durch
Rat, Hilfe, Wort Schriftenverteilung, Besuche, Ansprachen.
März 1925
Auseinandersetzungen mit kommunstischen Arbeitern auf den zwei Wohnschuten vor
Nösse.
19. Mai 1925
Beginn der wöchentlichen Volkslieder-Abende auf den Wohnschuten usw. der
Dammarbeiter mit Lautenbegleitung.
23. Mai 1925
Stuttgarter Plakatmission wird begonnen auf Nösse und bis zur Fertigstellung
des Damms durchgeführt in Baracken, Wohnschiffen, auf Baggern und Spülern.
24. Mai 1925
Begründung einer Arbeiter-Bücherei mit einem Grundstock von 50 Büchern
in der 1. Wohnbaracke des "Neubauamts Dammbau Sylt" Husum-Nösse.
25. Mai 1925
Richtfest des Wohnhauses am künftigen Bahnhof Morsum, der Wohnung der neuen
Nachbarn des Pastorats.
6. August 1925
Gedenk-Ansprachen auf zwei Wohnschuten für zwei ertrunkene (beim Baden verunglückte)
Arbeiter.
20. August 1925
Pastor Jahn aus der Anstalt Züllchow bei Stettin zeigt den Arbeitern seine
Gesellschafts-Zimmer-u.Brettspiele, die zur Anschaffung gelangen durch die Wohlfahrtsabteilung
des Bauamts auf Nösse.
15. September 1925
Um 1/2 6 Uhr wird in Gegenwart des Pastors Johler die Spundwand Sylt-Festland
geschlossen, der am 21. September darauf als Erster das Wattenmeer überschreitet.
26. September 1926
Der erste Bauzug vom Festland fährt auf die Insel und der erste Arbeiter-Urlauber-Zug
umgekehrt ab Nösse.
Oktober-November 1925
Bahnmeister und Bauführer beziehen das Beamtenwohnhaus des Bahnhofs Morsum.
Dezember 1925
Es bildet sich ein Winterverkehr heraus zwischen Pastor und Angestellten, sowie
Arbeitern am Dammbau.
23. Februar 1926
Die Bauleitung übergibt den Lesesaal auf Nösse der Belegschaft mit einer
Ansprache an den Arbeiterrat. Der Saal, der des Sonntags nachmittags und des Alltags
abends viel benutzt wird zum Lesen und Schreiben, wird im Winter gut geheizt und
steht unter ständiger Aufsicht eines Kriegsbeschädigten, des Barackenwärters
Paulsen. Und der Pastor hält hier mehrmals monatlich kirchliche Volks- Sanges-
u. Vorleseabende ab, die stets mit einer kurzen geistlichen Ansprache eingeleitet
werden. Auch Plattdeutsch und Musik gepflegt.
4. April 1926
Eröffnung der Guttemplerloge "Rüm Hart" in Morsum: Jugendliche,
Eingesessene und ältere Schachtmeister vom Dammbau haben die bäuerlichen
Reihen im Kampf um alkoholische Nüchternheit so gestärkt!
9. April 1926
Verhütung von Mord und Selbstmord durch Schlichtung eines Streitfalles auf
Nösse.
17. Mai 1926
Einer Belegschaft von 20 Mann, die Pastor Johler auf der Rückreise von Kiel
mitbringt, vermittelt er Unterkunft beim Kaufmann Magnus Nielsen in Klein Morsum
zur wirtschaftlichen Nutzung der Zeitlage (Dammbau, der Herausgeber) für
das häufig (durch die Barackenstadt auf Nösse) leer ausgehende Dorf
der Eingesessenen.
26. Juni 1926
Vor 6 Uhr morgens, ehe Arbeitsbeginn, Trauerfeier unter Mitwirkung des Posaunenchors
(teils Arbeiter-Posaunenchors) auf dem Barackenplatz für den jungen Arbeiter,
der am Abend vorher auf seinem Arbeitsplatz am Damm (seit 14 Tagen 20stündige
Arbeitszeit für einige Gruppen) infolge Herzschlags verschieden war.
1.Juli 1926
Die Sylter Synodalen (Rückkkehr von der Propstei-Synode in Niebüll
am 30.6.1926, der Herausgeber) überqueren das Wattenmeer im Bereisungswagen
auf der Spundwand und erhalten Einblick in den Dammbau und in die Arbeiter-Seelsorge.
27. Juli 1926
Trauerfeier unter Anteilnahme der gesamten Arbeiterschaft um 6 Uhr abends nach
Feierabend am Geleis des Magazins für einen jung verheirateten Bremser, der
vom Leer (Bau)-zug , dem er selbst noch das Zeichen zur Abfahrt gegeben hatte,
in der Hochbetriebszeit unbemerkt überfahren wurde.
Pastor Johler legt die eilig nötig
gewordenen und weiten Wege zur raschen Vorbereitung der Trauerfeier erstmalig
auf seinem Kraftrad zurück. Auch zeigt sich, wie segensreich die im Dezember
1924 schnell bewirkte Fernsprechanlage im Pastorat sich bewährt.
17. August. 1926
Die Pastoren der Wiedingharde besehen den Damm im Bau, Baracken, Lesesaal. Abends
singt Niels Sörnsen, der bekannte Lautensänger, deutsche Volkslieder
für die Arbeiter im Lesesaal.
ab 24. August 1926
Holzabfälle vom Bauplatz des Wasserbauamts werden für Ortsarme abgefahren.
Mitte September 1926
Zusammentreffen der Dammschüttungen von beiden Seiten. Die Bagger, Spüler
, Wohnschuten räumen endgültig das Feld. Die Baustrecke erreicht die
grösste Länge.
24. Oktober 1926
Beerdigung des durch eine umstürzende Lokomotive erschlagenen Heizers Scharra.
30. November 1926
Ein Baggermeister wird um 850 M. ersparten Lohn bestohlen - in der Trunkenheit.
Der des Diebstahls verdächtigte "Obmann" des Betriebsrats wird
durch Volksjustiz zum Verschwinden von der Baustelle gezwungen.
16. Dezember 1926
Den Höhepunkt aller volksmissionarischen Veranstaltungen im Lesesaal auf
Nösse bildete ein weihnachtlicher Abend, der von allen dortigen, zur Winterarbeit
noch anwesenden - 175 an der Zahl - Arbeitern mit freudiger Teilnahme unter Offenbarwerden
der Volksseele besucht wurde. - Gegen eine von der Bauleitung eingeleitete Verpachtung
des Lesesaals als Kantine erhebt sich Sturm, und durch eine Eingabe an das Wasserbauamt
in Husum bleibt der Lesesaal erhalten.
4. - 22. Januar 1927
Die letzten der Bagger, die Trockenbagger, nämlich der Löffelbagger
im Einschnitt auf Nösse und der Tonbagger (Eimerbagger) ebendort beenden
ihre Arbeit, und der Abbruch beginnt.
19. Januar 1927
Die Legung des Oberbaus auf dem Damm beginnt in Klanxbüll, Barackenhaltestelle.
21. März 1927
Gelegentlich der Arbeiterbesuche auf der Oberbaustrecke bei Archsum beobachte
ich die Kolonne Inzelhofer bei dem Zusammenschluss der letzten Strecke des Schienenstrangs
um 1/2 3 Uhr zwischen 20. und 30. Schwelle östlich der dortigen Übergangsrampe.
28. März 1927
Um 12 Uhr mittags läuft auf dem Bahnhof Morsum der erste Zug ein, ein Materialzug,
auf dem vollspurigen Geleis unter dem Geläute der Lokomotivglocke. Herr Reg.-Baumeister
Griebel, der 1922 als erster für den Dammbau hier auf der Insel in Tätigkeit
trat, veranlasste das Geläut aus ideellen Gründen.
2. April 1927
mitfährt Pastor Johler und Sohn Ekkehard im ersten Zug, der über den
Bahnhof Morsum westlich hinaus den Bahnhof Westerland erreicht. Die Lokomotive
wird von den Arbeitern geschmückt.
4. April 1927
Die Kiesschüttung durch den Reichsbahnzug erreicht den grossen Einschnitt
auf Nösse. Die Besuche der Arbeiter erstrecken sich vom Wattenmeer bis zur
Nordsee auf 18 km.
4. Mai 1927
Auf dem Bahnhof in Westerland sind die Arbeiter von 16 Firmen gleichzeitig tätig,
viele Hunderte aus ganz Deutschland (Schlesien, Rheinland, Bayern, Lausitz u.s.w.),
mit denen allen auf Grund der bisherigen Arbeit an anderen Stellen der Bahnstrecke
eine gute Verbindung angebahnt wird. Im Gespräch wird eingegangen auf die
gerade vorliegende Arbeit; in einer persönlichen Sache, Quartier etwa, ein
Rat gegeben; ein Scherzwort fliegt hin und her; und schliesslich nimmt das Gespräch,
wenn Gruppen sich auf dem Nachhauseweg befinden oder auf Abfahrt des Bauzugs warten,
eine ernstere, und durch die Ausnutzung der gebotenen Gelegenheiten, eine geistliche
Wendung.
17. Mai 1927
Versteigerung von Abfallholz der Dammbaufirma auf Nösse für Ortsarme
ausgenutzt.
18. Mai ff.
Der Wall im Westen des Pastorats wird neu aufgesetzt, und die Steine, die bisher
durch Grassoden verbunden waren, mit Beton ausgefugt. Auch wird die Toft als Fenne
eingefriedigt, um den späterenVerkehr zum Bahnhof vom Grundstück fernzuhalten.
25. Mai 1927
Auf besondere Einladung Teilnahme von Pastor Johler am Dammbau-Pressetag der Reichsbahn.
Der erste D.-Zug fährt in Westerland ein.
1. Juni 1927
Der Damm wird als "Hindenburgdamm" eingeweiht. Reichspräsident
v. Hindenburg nimmt auf dem Bahnhof Morsum einen Blumenstrauss von seinem Patenkind
Karin Johler entgegen und spricht gute Wünsche für Kind und Eltern aus."Herr
Pfarrer, ich wünsche Ihnen Gottes Segen!"
19. Juni 1927
Empfang zweier älterer Morsumer auf dem Bahnhof Hamburg, die nach ihrer Konfirmation
nach Milwaukee auswanderten und jetzt- der Eine von Beiden nach 47 Jahren - in
die Heimat zurückkehren.
4. Juli 1927
Besuch von Pastor Katt-Horsbüll, der die Dammbau-Seelsorge auf der Festlandseite
inne hat, zur Besprechung darüber.