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Hamburg, 16./17. Februar 1962 |
Hamburg, |
Fotos
aus Hamburg-Wilhelmsburg
Bericht zur Sturmflut-Katastrophe vom 17. Februar 1962 Dieser Tag sollte für mehr als 300 Menschen in Hamburg Tod und Verderben bedeuten. Jeder in der Millionenstadt fühlte sich sicher und geborgen. Was sollte ihnen auch schon geschehen in einer Großstadt wie Hamburg?! Jeder war am Freitag noch seiner Arbeit nachgegangen. Alles schien friedlich, aber das sollte sich sehr bald ändern und dann konnten die Menschen, die Soldaten, die Unternehmer und all die vielen anderen Helfer einmal zeigen, was sie können! Bereits am Freitag und schon einige Tage vorher fegten orkanartige Stürme über Norddeutschland hinweg und verwandelten die ruhige Alster in Hamburg in einen tobenden See! Das schlimmste aber brach in der Nacht vom Freitag auf den Samstag herein. Viele Menschen in Hamburg-Wilhelmsburg dachten überhaupt nicht mehr daran, dass Wilhelmsburg eine Elbinsel und nur mit Deichen gegen das Wasser gesichert ist. Mit Deichen zwar, die seit über hundert Jahren dem Wasser standhielten. In dieser Nacht also drückte der Sturm das Wasser der Nordsee in die Elbe hinein, so dass der Wasserstand erheblich anstieg. Die Deiche h8ielten zwar, aber die Flut überstieg die Deichkronen und zerfraß die Deiche von der Landseite her, so dass sie nach und nach zerbröckelten und schließlich unter dem Druck des Wassers barsten. Eine Sturmflut mit solchen Ausmaßen war seit über 100 Jahren nicht mehr da gewesen! Zwar wurden die Menschen in Hamburg durch die üblichen Hochwasser-Böllerschüsse gewarnt, aber es war Nacht und die Bevölkerung schlief. Ein Teil der Bevölkerung konnte zusätzlich durch Streifenwagen gewarnt werden, aber leider nur ein Teil. In Wilhelmsburg, Harburger Chaussee, brach der Deich nur einen halben Steinwurf von den Kleingarten-Kolonien entfernt! Die leichten Häuser und Lauben wurden zerstört oder einfach mitgerissen. Hier waren die meisten Toten zu beklagen! Als aber das Wasser nach 12 Stunden nicht zurücksank, schrien die Menschen nach Trinkwasser und Lebensmitteln, nach Licht und nach Wärme! Nur durch Hubschrauber und Spezial-Lastwagen der Bundeswehr und zahlreichen anderen karitativen und staatlichen Einrichtungen konnte die ärgste Not gemindert werden. Überall wurden Läden in Lebensmittelstationen eingerichtet. Die Einwohner Wilhelmsburgs standen oft bis zu einer Stunde Schlange, um ein Brot, etwas Butter oder Margarine zu bekommen. Vor allem aber benötigte man Milch, Milch für die Kleinkinder! Die Kirchen waren Verteilstellen für warmes Essen , denn viele Bewohner konnten nicht heizen. Strom gab es überhaupt nicht, Wasser nur für ein paar Minuten am Tag. Wasser musste man sich vom Tankwagen holen. Überall sah man das Elend, doch man brauchte gar nicht hinzusehen, man spürte es einfach! So wie in den Kleingarten-Kolonien an der Harburger Chaussee sah es in vielen Teilen Wilhelmsburgs aus. - Autos waren von der Flutwelle einfach in die Bäume gehängt worden. Doch nicht nur Autos, auch Menschen waren dort zu finden, teils erfroren, teils ertrunken... Straßen waren aufgerissen, wurden unterspült, Autos fuhren ahnungslos in die Krater, weil die Fahrer die mit dreckig braunem Wasser überspülte Straßenoberfläche nicht kontrollieren konnten. Straßenbahnschienen und Oberleitungsmasten lagen kreuz und quer über die Straßen, Häuser waren eingestürzt, weil das Mauerwerk dem Druck der Flutwelle nicht standhalten konnte. Etwa 250 m von den Laubenkolonien entfernt fanden wir das Holz der Lauben wieder. Es war angeschwemmt worden und sammelte sich vor dem Gemüsegeschäft... Autos lagen 1-2 m unter der Straßenoberfläche vergraben, Autos, die 200 m weiter geparkt hatten... Die Einwohner in den Mietshäusern konnten nicht auf die Straße, weil das Wasser ihnen den Weg versperrte. Die Parterrebewohner mussten die Wohnungen räumen. „Nachts hörten wir Hilferufe, aber wir konnten nicht helfen, das Wasser ließ es nicht zu!“ so erzählen mir viele. „Wir wurden nachts gegen drei Uhr aus dem Bett geholt von einem Nachbarn. Ich verstand nur soviel, dass im Keller Wasser sei. Meine Mutter antwortete daraufhin, er solle doch die Feuerwehr anrufen, denn sie war, genau wie ich, der Meinung, es handele sich um einen Wasserrohrbruch. Der Nachbar erwiderte daraufhin: “Ach Quatsch! Guck mal aus dem Fenster!“ Ich huschte aus dem Bett und sah hinaus. Was ich dann sah, lässt sich kaum beschreiben: Schmutzigbraunes Wasser schoss aus dem Torweg in den Hof. Es sah aus, als habe man ein Schleusentor geöffnet. Der Wasserstand hatte bereits halbe Haustürhöhe erreicht. Zu diesem Zeitpunkt brannte das Licht noch und die Neonlampe auf dem Hof warf ein gespenstisches Licht auf das Wasser. Diesen Eindruck werde ich nie vergessen! Mein erster Gedanke war, es habe soviel geregnet und die Siele seien verstopft. Aber dann hörte ich, wie jemand im Treppenhaus sagte, der Deich sei gebrochen! Während ich mich anzog, verlöschte das Licht; das E-Werk hatte abgeschaltet! Das eintönige Rauschen des Wassers hörten wir dann viele Stunden lang... Das Telefon war auch tot, nur ein schwaches Rauschen in der Leitung zeigte an, dass es noch unter Strom stand. Stunden später fiel auch dieser Strom aus. Wir halfen den Parterrebewohnern, ihre Möbel auf den Boden zu bringen. Wir wussten ja nicht, wie hoch das Wasser noch steigt. In der Morgendämmerung standen dann auch tatsächlich die Parterrewohnungen unter Wasser. Wir hatten das Steigen des Wassers interessiert mit einem Zollstock verfolgt. Das ganze Haus war eine Gemeinschaft, alle halfen! Nachdem die evakuierten Parterrebewohner bei Nachbarn untergebracht waren, gab es nur noch eins: „Warten und Hoffen...! Dass wir überhaupt so schnell handeln, die Parterrebewohner warnen und deren Möbel retten konnten, verdanken wir einem Nachbarn, Herrn Slupik, der zu dieser Zeit gerade mit dem Auto von der Arbeit nach Hause kam. Am anderen Morgen zog ich mit hohen Gummischuhen los, um Lebensmittel zu besorgen. Mit einem Besenstiel tastete ich mich vorwärts. Im gesamten Haus hatten wir nur ein halbes Brot, etwas Aufschnitt und etwas Butter. Wir mussten uns aber über den Sonntag verpflegen! Vor allem benötigten wir Milch für ein Kleinkind, das zu versorgen war. Als ich durch den Torweg auf die Straße trat, bot sich meinen Augen ein Bild des Grauens! Überall riesige Krater und unterspülte Straßenflächen. Autos lagen umher, irgendwo schaute ein Rad aus dem Wasser, das wohl zu einem VW gehören musste. Das Wasser lief mir in die Gummischuhe und bald war ich bis zur Hüfte im Wasser. Eine Frau versuchte vergebens über die Straße zu gelangen. Plötzlich war sie bis zum Hals im Wasser verschwunden! Sie war in einen Krater gefallen! Ihre mit Brot und anderen Lebensmitteln beladene Einkaufstasche hielt sie über den Kopf, damit diese nicht nass und verseucht wurden. Sie weinte. Ich rief ihr zu: „Bleiben Sie so stehen!“ und tastete mich langsam vorwärts, nahm ihre schwere Einkaufstasche und setzte sie auf dem Trockenen ab. Dann ging ich zurück zu der Frau, nahm sie bei der Hand, zog sie langsam aus dem Loch und führte sie wieder auf das Trockene. Nachdem ich etwa eine dreiviertel Stunde beim Lebensmittelhändler gewartet hatte, bekam ich nur etwas Brot und Dosenmilch. Alles andere war bereits verkauft oder abgesoffen. Zum Milchgeschäft konnte ich nicht gelangen, weil direkt vor dem Laden eine ca. 2 m tiefe Grube ausgespült worden war. Als ich ins Haus zurückkehrte, waren meine Beine vom langen Stehen im eiskalten Wasser völlig steif, aber wir hatten wenigstens Milch bekommen. Am Sonntag gelang es dann meinem Vater und mir über einen Umweg und auf höchst unbequeme Art auf der Ladefläche eines LKW über die Elbbrücken nach Harburg zu gelangen, um meine Großeltern zu benachrichtigen. Obwohl überall Einsatzwagen der Bundeswehr und der U.S. Army zu sehen waren, schien sich kein Mensch darum zu kümmern. Man starrte uns nur an, weil wir an einem Sonntag mit Gummischuhen unterwegs waren. Als wir in der Wohnung meiner Großeltern ankamen, saßen sie unbekümmert vor dem Fernseher und waren ziemlich erstaunt, uns zu sehen.. Wie wenig sie und alle anderen nicht in Wilhelmsburg wohnenden Menschen sich ein Bild von dem Ausmaß der Katastrophe machen konnten, zeigte die erstaunte Frage meines Großvaters: „Wieso, habt ihr etwa auch was abgekriegt?“ Wilhelmsburg, den 31.Januar 1963 Günther Hachmeister
Deichbrücke waren 1962 besonders häufig an der Alten Süderelbe aufgetreten. Das ist in Francop nicht vergessen, rechtfertigt aber keine öffentliche Angstkampagne. Der Senat braucht viel Fingerspitzengefühl, um eine Lösung herbeizuführen. |
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an ekkehard lauritzen Das Fotografieren und die Dunkelkammertechnik erlernt Günther Hachmeister als Schüler der Schule Slomanstieg auf der Veddel. Fotografieren wird zum Hobby, dem er bis heute treu bleibt. Alle technischen Veränderungen macht er mit: Von Schwarzweiß zu Farbe, über Dias zum Super-8-Film. Es folgt die Vertonung der Super-8-Filme, VHS-Videos, Camcorder und die Digitalfotografie. Nicht ohne Stolz zeigt er seine neueste Kamera, eine digitale Spiegelreflex: "Die war nicht ganz billig."Seine liebsten Motive sind jetzt die Enkelkinder und seine Heimatstadt Hamburg. Beruflich war Günther Hachmeister zunächst Dachdecker "Vom Lehrling bis zum Meister". 1972 geht er als Späteinsteiger in den Polizeidienst. Heute lebt er als Rentner in Neuwiedenthal. "So alt ich auch werde, das Datum 17. Februar weckt immer wieder meine Erinnerungen." (Februar 2012) Hintergrund Der elbnahe, tief gelegene und dicht besiedelte Stadtteil Wilhelmsburg hatte durch die Sturmflut 1962 besonders viele Tote zu beklagen. Insgesamt werden bei der Sturmflut 1962 120 Quadratkilometer des Hamburger Stadtgebiets überflutet. In diesen Gebieten wohnen ca. 100 000 Menschen. 20 000 von ihnen verlieren vorübergehend ihr Obdach. 247 Hamburger sterben, darunter 172 aus Wilhelmsburg. vgl. Hans Bütow (Hrg.), Die große Flut 1962, Freie und Hansestadt Hamburg, Schulbehörde, o.J. Hamburg hatte auch deshalb so viele Opfer zu beklagen, weil das verheerende Nachthochwasser vom Freitag, 16./17.2.62 noch am Abend von den Meteorologen viel niedriger eingeschätzt wurde. Die Menschen, deren Lebensraum seit 1825 nicht mehr von Deichbrüchen betroffen war, gingen einfach zu Bett. Sie hielten Sturmfluten für ein Problem der Nordseeanrainer. Das Fernsehen meldete um 22.15 Uhr erstmals, die Flut werde 3 1/2 m höher als sonst ansteigen. Es stieg schliesslich auf 5,18 m über Normal-Null. Das Wasser stand in der Altstadt bis zum Rathaus, in den Marschlanden nördlich der Dove-Elbe von Moorfleet bis Bergedorf. Am stärksten war der Süden Hamburgs betroffen. Alle elbnahe Gebiete zwischen Cranz und Bullenhausen standen praktisch bis zur Bahnlinie nach Cuxhaven am Fuße der Harburger Berge unter Wasser, mehr als 150 Quadratkilometer. Nur die Innenstadt von Harburg blieb verschont. In Wilhelmsburg stand das Wasser bis zu 3m hoch in den Strassen. (Quelle: Sonderdruck des Hamburger Abendblatts vom März 1962, Nachdruck aus ca. 2002). Betroffen war natürlich nicht nur Hamburger Gebiet, sondern die gesamte Westküste.
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