Die ersten Vorsteher
dieser vom sel. Ratsverwandten Herrn Johann Füchting verordneten Stiftung
haben ihren Nachfolgern aufgetragen, die damals gemachte Ordnung nach Zeit und
Umständen zu verändern.
Wir gegenwärtigen Vorsteher
H.J.G.A. Schulz,
C.A. Siemsen,
John A. Rehder,
Eduard Behn,
finden diese Veränderung notwendig; wir haben sie, so wie sie sich für
die gegenwärtige Zeit schickt, eingerichtet und verlangen, daß sie
genau befolgt wird, wie wir auch unseren Nachfolgern die nämliche Freiheit
der Verbesserung überlassen, wenn veränderte Umstände es erfordern.
§ 1.
Da alle sich auf diesem Hofe befindenden Witwen die Wohlthat desselben ihrer Bedürftigkeit
wegen genießen, so ist es dagegen deren Pflicht, sich ehrbar und ihrer Lage
gemäß anständig zu kleiden, allen unnötigen Putz und Kleiderschmuck
zu unterlassen, still, sittsam und ehrbar zu leben, und in gesunden Tagen den
öffentlichen Gottesdienst nicht zu versäumen.
§ 2.
Keine Witwe darf mehr als zwei Töchter bei sich haben, und zwar nur dann,
wenn diese sich still und bescheiden verhalten, sonst müssen sie auf Anordnung
der Vorsteher das Haus und den Hof verlassen.
§ 3.
Wenn Dienstboten gehalten werden, so haben die sie beschäftigenden Witwen
für deren ordentliches Benehmen einzustehen, widrigenfalls die Vorsteher
deren Entfernung vom Hof verlangen werden.
§ 4.
Jede Witwe muß besondere Vorsicht und Sorgfalt auf Feuer und Licht verwenden,
damit durch ihre Schuld kein Schaden entstehe. Alles Feuer und Licht muß
vor Mitternacht ausgelöscht sein, schwere Krankheiten und Sterbefälle
ausgenommen, jedoch mit Genehmigung der Hoffrau. Wer sich hierin nachlässig
zeigt, wird, wenn Erinnerung nichts fruchtet, mit Verlust der Wohnung bestraft.
§ 5.
Wenn eine der Witwen plötzlich schwer erkrankt, so sind die übrigen
Witwen zur ersten Hülfeleistung verpflichtet, und zwar besteht diese Verpflichtung
zunächst für die rechts wohnende Nachbarin und geht der Reihe nach weiter,
falls etwa solche selber krank oder bettlägerig sein sollte. Jede Witwe wird
sich hierzu umso williger bereit finden lassen, weil sie derselben Unterstützung
bedürftig werden kann und Christenpflicht und Nächstenliebe es ohnehin
gebietet.
§ 6.
Jede Witwe, die sich ein Vierteljahr außerhalb des Hofes, es sei bei Kranken
oder zur Vorstehung von anderer Leute Häuser aufhält, bekommt das Quartals-Geld
nicht, es sei denn, daß die Vorsteher besonderer Umstände wegen anders
befinden.
§ 7.
Jede Witwe muß ihre Wohnung und ihren Platz vor derselben rein und ordentlich
halten, den Unrat an den angewiesenen Ort hinbringen lassen, Gebäude, Ofen,
Fenster und Steinpflaster nicht sorglos oder mutwillig beschädigen noch beschädigen
lassen.
§ 8.
Frieden zu halten und Verträglichkeit zu üben ist aller Menschen Pflicht,
vielmehr noch sind alle Witwen, welche die Wohltat dieses Hofes genießen,
dazu verbunden. Dieses soll ohne Ausnahmen und Entschuldigungen befolgt werden.
Aller Zank und Streit ist durchaus verboten; vorkommende Uneinigkeiten sollen
durch die Hoffrau beigelegt, und wenn man damit nicht zufrieden ist, dem verwaltenden
Vorsteher zur Entscheidung angezeigt werden; die Streitenden haben sich bis dahin
aber ruhig zu verhalten, oder sie sollen an ihrem Quartals-Gelde gestraft werden.
Wenn sich eine oder die andere von den Witwen so sehr vergessen, oder so boshafte
und niederträchtige Handlungen begehen sollte, daß dadurch gerichtliche
Untersuchungen entständen, so soll sie sogleich vom Hofe verwiesen, ihrer
Wohnung und Einnahmen verlustig sein und nie wieder aufgenommen werden.
§ 9.
Wenn eine 'Witwe stirbt, soll die Hoffrau allen Vorstehern sogleich durch die
Hofwärterin ansagen lassen.
§ 10.
Die große sowohl wie die kleine Pforte sollen im Winter nicht eher als bis
es Tag wird, und im Sommer nicht vor fünf Uhr geöffnet werden. Die große
Pforte soll im Winter und im Sommer, abends wenn es dunkel wird, geschlossen werden,
die kleine mit der großen zugleich, so lange die große bis nach neun
Uhr offen bleibt, zu allen anderen Zeiten aber um neun Uhr; besondere Vorfälle
ausgenommen, die die Hoffrau, der die Schlüssel anvertraut sind, billigen
und verantworten muß.
Zur kleinen Pforte wird jede Witwe, wie bisher ein Schlüssel gelassen, jedoch
nur unter der Bedingung, daß sie ihn nur zu ihrer Notdurft gebrauchen, nicht
aber mißbrauchen, auch keinem anderen anvertrauen darf oder erwarten muß,
daß er ihr genommen werde.
§ 11.
Der Hoffrau ist die Aufsicht des Hofes und die Befolgung dieser Ordnung anvertraut,
um auf Reinlichkeit, Ordnung, Ruhe und Verträglichkeit zu halten, die dagegen
handelnden ihrer Pflicht mit Gelassenheit zu erinnern, die Widerspenstigen aber
bei den Vorstehern anzugeben, welche dann nach Befinden der Sache darüber
verordnen werden.
§ 12.
Und damit keine sich mit der Unwissenheit entschuldigen könne, ist diese
erneuerte Ordnung gedruckt und jeder Witwe ein Exemplar zur Befolgung behändigt
worden. Lübeck, im Jahre 1906.