2 Briefe an die Eltern des im 2. Weltkriegs gefallenen Fliegers
Gerhard Johler:
(Eltern: Ingo und Erika Johler)
-Brief des Staffelkapitäns
-Brief eines Flieger-Kameraden
Heinrich Herzberg O.U.,
24. 6. 1943
Hauptmann
L 52 010
Lg.Pa. Königsberg
Sehr
geehrter Herr Johler!
Als Staffelkapitän Ihres Sohnes Gerhard
habe ich Ihnen die traurige Mitteilung zu machen, daß Ihr Sohn am 23. 6.
1943 bei einem Tagesangriff auf das Gebiet am Ladogasee den Heldentod gestorben
ist.
Das Flugzeug, in dem Ihr Sohn mit 3 weiteren
Kameraden gegen den Feind flog, erhielt kurz nach dem Angriff auf das befohlene
Ziel einen Flakvolltreffer, bei dem ihr Sohn gefallen ist. Nach Aussagen seiner
Kameraden war er sofort tot.
Im Namen aller Staffelkameraden erlaube
ich mir Ihnen meine aufrichtige Teilnahme auszusprechen.
Ihr Sohn ist als tapferer und mutiger Soldat
gegen den Feind geflogen. Wir haben mit Ihnen einen guten Kameraden verloren und
werden ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Die Beisetzung unter militärischen
Ehren findet am 26. 6. 1943 auf dem Heldenfriedhof bei Pleskau statt.
In
tiefem Mitgefühl
Ihr
Herzberg
Hauptmann
und Staffelkapitän
Im Osten,
am 5. Juli 43
Liebe Familie Johler!
Kaum acht Wochen sind vergangen, seitdem wir mit Gerhard zu einem kurzen Besuch
bei Ihnen weilten. Voll freudiger Erwartung auf das Kommende und voll Kampfeseifer
nahmen wir von Ihnen Abschied. Wer konnte damals ahnen, daß sie ihren Sohn
zum letzten Male sehen sollten. Und am Anfang unserer Bewährungszeit wurde
er so jäh aus unserer kleinen Gemeinschaft gerissen. Hart ist das Schicksal,
doch wir sind zu klein, um daran etwas ändern zu können. So bitten wir
unseren lieben Herrgott, daß er unsere Herzen stark macht, und er weiter
bei uns bleibt.
Schon die wenigen Stunden, die ich in ihrem
Familienkreis verbringen konnte, zeigten mir, mit welch inniger Elternliebe Sie
an Gerhard hingen. Und so kann ich auch ihren Schmerz ermessen, der Ihnen durch
die Trauerbotschaft der Staffel bereitet wurde. So unendlich groß die Elternliebe
ist, so unendlich mag auch der Schmerz sein, einen Sohn zu verlieren, der mit
aller Liebe zu einem so guten Menschen erzogen wurde, wie Gerhard einer war. Kaum
aus dem sicheren Schutz des Elternhauses gegeben, ereilte ihn das Schicksal.
Über ein Jahr waren wir täglich
mit Gerhard zusammen und wurden so beste Kameraden. Nun sitzen wir drei allein
hier und vermissen ihn als wäre er ein Stück von uns selbst. Wir können
ihn nie vergessen und werden immer an unseren Gerhard denken müssen. Für
uns ist er das beste Vorbild in soldatischer Pflichterfüllung vor dem Feind.
Im Angriff, da war er der Mann, den nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er kante
nur eines, nämlich die ihm gestellte Aufgabe restlos zu erfüllen. Und
gerade uns Kampffliegern stellt man die schwere Aufgabe, viele hundert Kilometer
ins Feindesland zu fliegen, und ungeachtet der Abwehr dem Feind empfindliche Schläge
auszuteilen. So war es auch bei unserem sechsten Feindflug, den wir zusammen machten.
Schon am Tage zuvor flogen wir zum Ladogasee und griffen ein fast ungeschütztes
Ziel an mit bestem Erfolg. Wir freuten uns deshalb auch, nochmals dort angreifen
zu können. Aber wer kann mit den Zauberkünsten der Russen rechnen? An
diesem Schicksalstag empfing uns eine selten starke Flakabwehr. Doch die Bomben
ins Ziel bringen war unser höchstes Gebot. Damit taten wir ja nur unsere
Pflicht wie all die anderen auch, die mit uns flogen. Es ging auch alles gut.
Es war etwa 20.05 Uhr, als wir auf Heimatkurs abkurvten. Da wurde plötzlich
unsere Maschine durch einen heftigen Schlag dermaßen erschüttert, daß
wir im Moment nicht wußten, was los war. Es ging alles so schnell, und als
wir wieder zur Besinnung kamen, war es schon geschehen. Eine schwere Flakgranate
drang durch die Bodenluke in unseren Führerraum und detonierte am Führerraumdach
so, daß wohl die Hauptwirkung nach außen ging, Gerhard aber durch
einige Splitter so schwer verletzt wurde, daß er sofort tot gewesen sein
mußte. Wir wollten es alle nicht wahrhaben und steuerten den allernächsten
Flughafen an in der Hoffnung, daß die ärztliche Hilfe noch nicht zu
spät ist. Nach und nach kam es uns aber doch zum Bewußtsein, daß
menschliche Hilfe zu spät war. Er bedurfte unserer nicht mehr und hat sich
ganz unserem Herrgott anvertraut. So nahmen wir ihn mit nach Hause. Es war sein
letzter Flug, auf welchem er sein junges Leben für uns gab.
Hart ist das Schicksal, hart unsere Zeit
und der Krieg und opfern wir heute größer denn je geschrieben. Am Ende
aber steht doch unser Sieg und eine bessere Zukunft für unsere Eltern, Geschwister
und Kinder, für unser ganzes Volk. Darum stehen wir ja hier und kämpfen
und wir wissen, es wird nicht umsonst sein.
Den 25. Juni gaben wir Gerhard mit der
gesamten Staffel das letzte Geleit und wir betteten ihn in Pleskau auf dem Heldenfriedhof
zur letzten Ruhe. Ein Feldgeistlicher befahl Gerhard in seiner Andacht in den
Schutz des Herrn, und unser Oberst mahnte uns an sein Beispiel von Mut Tapferkeit
und vollster Pflichterfüllung bis in den Tod. Drei Ehrensalven waren unser
letzter Gruß. So nahmen wir für immer Abschied von ihm, nicht ohne
uns zu versprechen, zu gegebener Zeit den Weg zu seinem Grabe zu finden und ihn
zu grüßen von allen, denen er lieb und wert war.
Liebe Familie Johler. Die Schreiberlaubnis
der Staffel gab mir endlich die Gelegenheit, mein Herz zu Ihnen sprechen zu lassen.
Ob ich Ihnen einen kleinen Trost geben konnte, glaube ich kaum. Meine Zeilen sollen
Ihnen aber sagen, daß wir mit Ihnen um den schmerzlichen Verlust von Gerhard
fühlen. In herzlicher Anteilnahme grüßt Sie
Ihr
Walburg
Rädel
Infos:
Der Ladogasee liegt westlich von Petersburg (Leningrad)
Pleskau (heute:Pskow) liegt in Russland an der Grenze zu Estland.
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