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Besuch in Estland 2003
Spurensuche nach fast 200 Jahren

Erneute Spurensuche 2004 Touristische Ziele in Estland
Hamburg,

Tallinn / Reval

Bernhard Frank, geboren in Reval (heute: Tallinn) 1811, und seine Frau Helena Johannson, geboren in Reval 1816, leben und arbeiten in verschiedenen Orten Estlands. Wir sind neugierig, wie es heute dort aussieht, wo sie mit ihren Kindern einst wohnten.

Wir nehmen die Fähre von Stockholm nach Tallinn und erkennen sofort den höchsten Kirchturm der Stadt, den der Olai-Kirche, in der beide getauft und getraut wurden.





Seeleute früherer Jahrhunderte hatten einen ähnlichen Blick auf die Stadt und St. Olai.





Wir umkreisen die Kirche und lernen die Altstadt kennen, in der Bernhard Frank und Helena Johannson aufwuchsen und zur Schule gingen.




Hier irgendwo werden unsere Vorfahren gewohnt haben.





Die protestantische Kirche in Estland wurde seit der zwangsweisen Christianisierung durch deutsche Ritterorden im 13. Jahrhundert durch deutsche Pastoren dominiert. Sie stellten neben den ihnen faktisch übergeordneten Gutsbesitzern sowie den Kaufleuten in den Städten über 700 Jahre die herrschende Schicht. Sie und das Lübecker Recht überdauern auch die zeitweise Besetzung Estlands durch Dänemark, Schweden und Russland. Die erste kurze Unabhängigkeit Estlands ab 1918 führt zur Enteignung der Grossgrundbesitzer. Viele von ihnen werden ermordet. Spuren der deutschen Einflüsse finden sich noch heute zuhauf wie diese Inschrift auf dieser Tür in St. Olai.





Zwei deutsche Gymnasien gab es in Reval. Eins davon hat Berrnhard Frank besucht. Die Domschule in der Oberstadt (siehe Foto)...
(Gedenktafel neben dem Eingang gross: Maus aufs Foto)





... oder das Gustav-Adolf-Gymnasium in der Unterstadt, das noch heute als Gymnasium genutzt wird. Ich gehe davon aus, dass er hier zur Schule ging, da diese Schule in der Unterstadt liegt und somit näher an St. Olai. Allerdings hatten die Kirchen in Reval anders als sonst in Estland keine räumlich abgegrenzten Gemeinden, sondern jeder Bürger Revals konnte zu der Kirche und dem Pastor gehen, zu dem er sich hingezogen fühlte. In der Regel beschäftigten die Stadtkirchen jeweils zwei Pastoren. Jeder Pastor hatte die Menschen als Gemeinde, die aus dem ganzen Stadtgebiet zu ihm kamen. Nach dem Ausscheiden eines Amtsbruders erbte der Nachfolger nicht etwa die Gemeindemitglieder seines Vorgängers; er mussste warten, wer sich ihm zugehörig fühlte. So war es Brauch.





Die dauerhafte estnische Unabhängigkeit seit 1991 durch die mutig erkämpfte Entlassung des Staates aus der Sowjetunion ist bis heute für viele Esten ein immens wichtiges Ereignis. Diese Jugendlichen in Tallinn treffen sich mit anderen im Sommer jeden Nachmittag vor der Festung vom Domberg (Toompea), um diesen Freiheitskampf ständig neu zu zelebrieren. Schwerter, Pfeil und Bogen sowie historische Kostüme sind selbst hergestellt. In der Festung, einem früheren Ordensschloss, tagt heute das estnische Parlament. Der Turm, der "Lange Hermann", überragt mit seinen 48 Metern Höhe malerisch das gesamte Ensemble.




Tartu / Dorpat

Bernhard Frank studiert in Dorpat (Tartu) 1836-1839 Theologie. Im Bild das Hauptgebäude der Universität. Das Archiv des estnischen Nationalmuseums in Tartu verwahrt alle alten Universitätsakten. Ich ging natürlich hin. Innerhalb weniger Minuten hatte ich das Studienbuch, das Prüfungsprotokoll und weitere Unterlagen von Bernhard Frank in Händen.





Das Deckblatt der Akte von 1836. Die vollständigen Akten scanne ich in Kürze ein.





Zur Uni in Tartu (Dorpat) kommt man vom Domberg aus unter der 1838 erbauten Engelsbrücke. Sie wird durch ein rundes Relief des ersten Rektors der Universität Dorpat, G.F. Parrot, geschmückt. Die Universität wurde 1802 wiedereröffnet. Bernhard Frank studierte an einer 1836 noch sehr jungen Uni.




Valjala / Wolde auf Saarema /

Zum ersten Mal in Wolde! Hier haben Bernhard und Helena Frank geb. Johannson von 1839 an als Familie gelebt. Er als Pastor an der ältesten estnischen Steinkirche überhaupt (1227). Wir sind gespannt.





Es ist Sonntag. Die Gemeinde der Martinskirche wartet auf den Beginn des Gottesdienstes.





Ein Highlight ist der überraschende Auftritt des Jugendchors "Riinimanda" aus dem Raum Tallinn. Pastor Hannes Nelis räumt für sie das Feld. Die Akkustik der Martinskirche in Valjala ist beeindruckend. Wir erleben ein kleines Sängerfest. -
"Liebe Woldesche Leute! Ich kann das Husten während der Predigt nicht vertragen. Nun will ich euch etwas sagen: Ich habe heute nach der Predigt sehr interessante Bekanntmachungen zu verkünden. Wenn ihr aber während der Pedigt hustet, so verspreche ich euch ganz bestimmt, daß ich die Bekantmachungen so leise sprechen werde, daß keiner von euch auch nur ein einziges Wort davon verstehen soll." (Vertretungspastor Körber aus Anseküll, zit. nach Traugott Hahn, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 41)





Die Lust am Singen ist grösser als die geplante Dauer des Gottesdienstes. Also wird kurzerhand vor der Kirche weitergesungen. -
"Der Gemeindegesang in Wolde war nicht schön. Schleppend und schwach sang die Gemeinde. Die alte Orgelspielerin Wiiu war eine zu zart besaitete Seele, um auf den Gesang belebend einzuwirken. Nicht wenige Lieder von großem Wert konnten garnicht gesungen werden, weil die Melodien unbekannt waren." (nach Traugott Hahn, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 52)





Wir geniessen den Gesang. Nach zwei Zugaben finden wir Zeit, uns die Kirche von Wolde anzuschauen.




Vom gegenüberliegenden Pastorat ist die Kirche kaum zu erkennen. Das Pastorat, in dem die Familie Frank wohnte, ist mittlerweile umgebaut, die Ähnlichkeit mit alten Zeichnungen jedoch unverkennbar. Wir zelten im Pastoratsgarten.





Das Pastorat in Wolde / Valjala gegenüber der Kirche.





Blick vom Pastorat in Wolde über die zum Pastorat gehörenden landwirtschaftlichen Gebäude zur Kirche. Ohne die Erträge aus der Landwirtschaft hätten Pastoren früher kein Auskommen gehabt.
"An meinem Geburtstagsmorgen um 6 Uhr erwachte, blieb aber noch im Bette, da höre ich um halb sieben Uhr Equipage mit Glocken in den Hof rollen. Ich stieg aus dem Fenster, u. sah, eine Kalesche mit Postpferden bespannt u. einen Postwagen außerdem, die Insassen waren bereits ausgestiegen."
"Christel und Adele sind mit Sidonie, ein allerliebstes Mädchen, recht befreundet worden u. haben mit ihr u. ihren Brüdern manche Reitparthien gemacht, woran sich auch Hans angeschlossen hat. Alle Augenblicke kam eine ganze Cavalcade auf den Hof hier gesprengt."
Aus einem Brief von Bernhard Frank an seine Tochter vom 9.7.1870. Brief lesen




Der Turm der Martins-Kirche in Wolde wurde erst im 17. Jahrhundert neben die Sakristei gebaut.





An diesem Taufstein hat Bernhard Frank viele Kinder getauft. Die Orgel ist erst 1888, 18 Jahre nach seinem Tod angeschafft worden.





Dieses Altarbild ist für die Gemeinde kaum auszumachen. Es ist sehr getailgetreu und aussagestark gemalt. Der Pastor steht während des Gottesdienste unmittelbar davor. Auch Pastor Bernhard Frank wird vor ca. 150 Jahren an diesem Gemälde Inspiration für seine Arbeit gefunden haben.





Diese Kirchenfenster in der Martinskirche von Wolde wurden von der in Petersburg geborenen Dolores Hoffmann den ursprünglichen Motiven nachempfunden.





Die Küsterin ist zur Zeit die Hausherrin der St. Martinskirche. Pastor Hannes Nelis wohnt in der Gemeinde Kaarma, auch auf Saaremaa gelegen. Er betreut Wolde zweimal pro Woche. Zum Gottesdienst erscheinen normalerweise zwischen 20 und 25 Gemeindemitglieder, die meisten im Rentenalter.



Bernhard Franks Grabstein auf dem 1 km von der Kirche entfernten Friedhof von Wolde / Valjala ist durch Baumwurzeln in gefährliche Schräglage gekommen. Der gleichförmige Grabstein seiner Frau steht nebenan noch sehr viel stabiler. Wir denken an die beiden. Dann holen wir aus dem nahegelegenen Schuppen einige Bürsten und kratzen das Moos von 133 Jahren von den Steinen.

Niemand im Ort wird die beiden noch kennen. Valjala ist heute eine sehr heterogene Siedlung aus Mehrgeschossbauten und wenigen älteren Holzhäusern aus dem 20. Jahrhundert. Kein schöner Ort. In der Zeit der Unabhängigkeit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden überall in Estland auch Deutsche als Unterdrücker verfolgt, umgebracht und enteignet.Trotzdem bewahrt man die deutschen Gräber. Vielen Dank!




Kuressaare / Arensburg / Kingissepa

Die Bischofsburg in Kuressaare aus dem 13. Jahrhundert war im 19. Jahrhundert häufig Treffpunkt der Pastoren von Ösel / Saare Maakond. Pastor Bernhard Frank ist oft hier gewesen und hat sich mit Kollegen und seiner Obrigkeit ausgetauscht.





In diesem heute als Musiksaal genutzen Raum der Bischofsburg trafen sich früher die Pastoren von Saaremaa.




Das Ambiente in der Bischofsburg von Kuressaare war und ist inspirierend.

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Bernhard Frank 1811-1870












































































+++Zu nebenstehenderer Bildunterschrift erhielt ich folgende E-Mail, die die dargestellten Sachverhalte vertieft und ins rechte Licht rückt:

Werter Herr Lauritzen,
auch meine Familie stammt von deutschbaltischen Pastoren ab, und mein Bruder war kürzlich auf Spurensuche, darum habe ich Ihre Site mit großem Interesse gelesen. Allerdings finde ich doch, dass Sie den Kampf um die Unabhängigkeit 1918-20 ein wenig einseitig darstellen. Es waren ja drei Parteien, die gegen einander kämpften, die Sowjets (auf deren Konto das Massaker von Tartu ging), die deutschbaltischen Freischerler, die die Verhältnisse wieder herstellen wollten, die unter dem Zaren herrschten, und die Kämpfer für die Unabhängigkeit. Die Ermordung von Gutsherren mag stattgefunden haben, aber die Einrichtung des Freistaates war auch für die Deutschbalten, sofern sie nicht aus Hochadel und Gutsbesitzerkreisen stammten, durchaus ein Gewinn, es gab die Kulturhoheit, aufgrund derer meine Eltern deutsche Schulen in Tallinn und Tartu besuchen konnten. Die Enteignung kam teils auch unter dem indirekten Druck durch den mächtigen kommunistischen Nachbarn zustande, den man eben noch gestoppt hatte. Für ihren Kampf für die Rettung Estlands konnten die Bauern billigerweise verlangen, dass man ihnen das Land zuteilte, für das sie ihr Leben riskiert hatten.
Es war etwas traurig, dass die Kluft zwischen Esten und Deutschbalten auch in der Emigration noch vorhielt. Meine Eltern gingen jedenfalls trotzig zur Feier des Unabhängigkeitstages am 24. Februar, der bis zur Wiederbefreiung weiter gefeiert wurde, und sangen mit den Esten die Hymne und hielten blau-schwarz-weiß in Ehren. Zugleich betrachteten sie sich immer als Deutschbalten.
So, wie man es in Ihrer Site liest, kommt einem der Gedanke, dass Sie für die traurigen Vorfälle den republikanischen Esten die Schuld geben, aber ich glaube, es waren die Kommunisten, die solche Dinge taten, meinen Großvater hätten sie auch gern erschossen, und der war kein Gutsbesitzer.
Ich fand hier einiges Lesenswerte:
http://www.einst.ee/culture/
Mit freundlichem Gruß
Eva-Maria von Nerling





















































































































































































































































































































































































































































































































Die Pastoren in Wolde - Valjala:
(Please help me fill the gap to now)

Arnold Woldemar Elken
1935 -

Gustav Friedrich Wilhelm Eduard Pundt
1901 - 1935

Eugen Joseph von Blossfeldt
1889 - 1901

Alexander Eduard Beater
1880 -1889

Paul Theodor Normann
1875 - 1880

Elieser Traugott Hahn
1872 - 1874

Bernhard Frank
1839 - 1870

Eduard Koch
1835 - 1838

August Heinrich von Schmidt
1808 -1835

August Heinrich von Schmidt
Adjunkt (Assistent)
1783 - 1808

Franz Friedrich Ploschkus
Adjunkt (Assistent)
1779 - 1780

Joh. Heinrich Schmidt
1743 - 1808

Jonas Angerstädt
1729 - 1741

Joh. Samuel Schlosshauer
1726 - 1728

Pfarre vakant
1711 -1724 bedient von Karris durch Pastor Bürger

Mag. Geord Carponai
1696 - 1710

Johannes Rüdiger
1679 - 1695

Michael Preuss
1664 - 1678

Andreas Freigius
1655 - 1664

Henricus Böckelmann
1630, 1643

Antonius Arendes
1590 - 1616

Hermann Rodewaldt
1582 - 1588

Reinolt Gemmekoven
1550, 1557, 1560

Nicolaus Alberti
1549, 1550

Jacobus Gralow
1531 - 1533

Quelle:
Arved von Schmidt, Die Pastoren Oesels,
Tartu 1939, S. 95f.







































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