Morsum, 1.6.1927. Der erste offizielle Zug vom Festland fährt
im Bahnhof Morsum ein. Dorfbewohner staunen und begrüssen den wichtigsten
Fahrgast und Namensgeber für das Bauwerk, Reichspräsident Hindenburg.
Den allerersten Schritt zum Festland über den Hindenburgdamm macht
allerdings Pastor Hans Johler: Am 21. September 1925 nach
Vollendung der Spundwand in der Damm-Mitte (Quelle: Morsumer Gemeindechronik).
Morsum, 1.6.1927. Begrüßung des Reichspräsidenten Hindenburg.
Links mit Zylinder und Gehrock steht Dammbaupastor Hans Johler. Die Frauen
in nachempfundener Friesen-Tracht (v.l.): Thelma Matzen, Anni Matzen,
Lorenz Bleicken, Thekla Clahsen, Inge Clahsen, Carla Schröder, Thilde
Möller. Am Rednerpult sprechen der Gemeindevorsteher und ein Arbeiter-Vertreter
von Nösse. Auch Dammbauarbeiter haben sich festlich eingekleidet am Bahnhof versammelt. Sie fühlten sich auf der Veranstaltung allerdings nicht beachtet. Im Zug von Hindenburg sollen auch Dammbauarbeiter aus Klanxbüll mitgefahren sein. Sie durften jedoch kein Fenster und keine Tür ihrer Waggons in Morsum öffnen, um den Morsumer Kollegen und Verwandten zuzuwinken. Sicherheitspersonal hat das verhindert. Sie konnten erst in Westerland den Zug verlassen.
Im Hintergrund das Beamtenwohnhaus zur Unterbringung von Bahnbediensteten.
Morsum, 1.6.1927. Es wird das Deutschlandlied gesungen.
In Friesentracht übergibt Thelma Matzen einen ersten Blumenstrauß. Hans Johler wartet geduldig, bis das Protokoll Familie Johler erlaubt vorzutreten.
Reichspräsident
Hindenburg im Salonwagen. Pastor Hans Johler mit Frau und Tochter Karin am Zug. Hans Johler steht zwei Schritte hinter seiner Frau. Das hat der Landrat angeordnet. Zwischen ihm und Hans Johler gibt es einen kleinen Machtkampf. Hans Johler hat sich mit der Bitte um das Überreichen des Blumenstraußes direkt an den Reichspräsidenten gerichtet und den Amtsweg über ihn ignoriert. Davon weiß Hindenburg nichts und winkt Hans Johler zu sich heran. 1:0 für Johler. Der Reichspräsident ist 1927 ihr verspäteter Taufpate geworden. Die eigentliche Taufe fand schon am 26. April 1925 statt, der Tag, an dem Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde. Jetzt nimmt Hindenburg einen Blumenstrauß von Karin entgegen.
Taufpaten waren neben Familienmitgliedern und Morsumerinnen auch die Dammbauingenieure Regierungsbaumeister Ludwig Wilhelm Griebel (Keitum) und Regierungsbaumeister Erich Christian Franz Weinnoldt (Rodenäs). Außerdem der Techniker Johannes Friedrich Peters auf Nösse. So ist das Leben von Karin Johler schon in ihren ersten Lebensjahren mit dem Dammbau verwoben.
Karin erinnert sich. "Ich sollte dem Onkel die Blumen geben." Sie trägt für diesen Anlass ein handgehäkeltes Kleidchen und lange Strümpfe. Ihr Kleid rutscht bei dem Manöver gefährlich hoch. Die Blumenübergabe ("Kleine Moosröschen") hat Elwine mit Karin vorher geprobt. Sie gibt ihr dann am Zug im rechten Moment die Anweisung die Hand mit den Blumen zu öffnen. Sie sollten ja nicht herunterfallen, der Reichspräsident sie aber auch nehmen können. Für ein Kind mit 2 Jahren und 4 Monaten nicht so einfach. Karin hat es im richtigen Moment geschafft, aber nicht nur die Blumenhand geöffnet, sondern beide. Mit so gespreizten Fingern verharrte sie länger als nötig, wie man auf dem Foto gut erkennen kann. Eigentlich eine schöne Geste.
Aus dem Fenster
winkt Reichspräsident Hindenburg ohne Rücksicht auf Protokollverabredungen Hans Johler heran, der in Gehrock und Zylinder weisungsbefohlen hinter seiner Fau steht und wünscht dem Dammbaupastor:"Gott
schütze Sie für ihr schweres Amt." Pastorensohn Ekkehard
Johler, ganz links im Bild, verpasst den großen Moment. Er interessiert sich mehr für die Zuschauer. Sein weißer Matrosenanzug ist ein edles Kinderkleidungsstück aus einer Boutique. Es stammt von Onkel Karl Frahm, Direktor der Westbank in Husum. Seinem Sohn ist er zu klein geworden. Auch Karins Häkelkleid kommt daher. Den Gehrock hat Hans Johlers Vater schon früher für einen besonderen Anlass spendiert. Nur Elwine musste auf eigene Kosten eingekleidet werden. Dafür reiste sie extra nach Lübeck, wo sie die Modegeschäfte kannte. Der Herr mit der
Trompete heißt Detlef Schröder. Links von ihm mit der Mütze
steht Sohn Willy Schröder.
Die Lok ist vermutlich in Hamburg für die Einweihungsfahrt geschmückt worden. Rechts steht derZugführer Hans Godegast. Quelle: Gerd Jonas
Dampflok im regulären Betrieb auf dem Hindenburgdamm
Westerland, 1.6.1927. Noch nicht genug gefeiert. Die Aktivitäten
zur Dammbau-Eröffnung locken Familie Johler (Mitte) am selben Tag
auch noch nach Westerland in die Friedrichstraße. Sie nehmen den fahrplanmäßigen Zug,
der Hindenburgs Salonwagen folgt. An der Hand der Eltern Sohn Ekkehard und Tochter Karin.
Rückblick auf die Bauphase des Hindenburgdamms:
Hindenburgdamm-Baustelle, ca. 1924. Pastor Hans Johler bei den
Arbeitern auf der Baustelle. Zunächst wird ein Kleidamm zwischen
zwei Reihen von Holzpfählen ins Meer vorgetrieben. Die Holzpfähle
werden mit Handzugsrammen eingeschlagen und in reiner Handarbeit erstellt.
(vgl. Rolf Stumpf, die Eisenbahn nach Sylt, S. 50f.) Der Bau erfolgt von
Morsum und dem Festland aus parallel. Die Firma Peter Fix Söhne, Duisburg, baut den Hindenburgdamm von Sylt aus. Zeitweise arbeiten bis zu 1500 Arbeiter an dem Dammbauprojekt (vgl. Detlefsen, Leinen los, Geschichte der Sylter Seefahrt, Flensburg 2002).
Hans Johler, Morsumer Pastor, informiert sich über den Baufortschritt. Auf den Bohlen werden später Gleise für eine Lorenbahn gelegt. Als Dammbaupastor besucht er die Arbeiter oft in ihren Unterkünften und auf ihren Baustellen von Westerland bis mitten ins Wattenmeer.
Hans Johler aus Kiel an Elwine in Morsum berichtet von seinem Weg über Nösse nach Klanxbüll
19. Mai 1924
Liebe Wine-Mami.
Soeben hier gelandet. ...Reise war bös. Landung im Schlickboot dauerte 2 Stunden bei stürmischem Regen. Und auch viel, viel Glück, und viel, viel Hilfe erfahren, sonst wär alles schiefgegangen. Regenmantel deckte neuen Sommermantel, Zeug glimpflich davongekommen. Hose, nur Hose mit Kleidruck bespritzt. Ein Wunder in den Booten,in 4 verschiedenen Booten war ich. Nicht alle konnten gelandet werden.!! Aber nass, nass! Wasserdichte Stiefel schließlich auch nass, Strümpfe erst in Kiel trocken.Mit Koffer auf Spundwand balanciert, auf Schienen im Galopp hinter Wagen geschoben. In [Arbeiter]Baracke Koffer abgewaschen. In Klanxbüll gerade Zug noch erreicht. Max Bossen und Carl Clahsen habe mir viel geholfen, Boot besorgt, auf schlüpfrigem, schmalen Reisig an Hand geleitet, oh!Auf den guten Stiefeln war ich sicher, - selbst Carl Clahsen fiel!!- 1 Stunde zu Fuß bis Bahnhof auf Schwellen im dicken Regen. Dann stets gute Anschlüsse, in Kiel 4 Uhr angekommen. In größten Schwierigkeiten wahnsinniges Glück gehabt....-Möchte nicht über Klanxbüll zurück. Einstweilen sag R. Hansen nicht ab. Näheres folgt. Hoffe über Helgoland kurz vor Himmelfahrt zu kommen, sonst Sonnabend 24. über Hoyer. Reinhard Hansen war nicht zur verabredeten Zeit in Nösse. Desche wird Dir erzählt haben. Desche kommt nach Hamburg. Am letzten Abend habe ich es noch gedeigselt: meine Eltern hätten sich umsonst gefreut...
Grüße Ekkemann!
Dein Papua-Papi.
Hans Johler aus Lübeck an Elwine in Morsum
z.Z. Lübeck, den 23. Mai 1924
L.E! Heute soeben von Kiel kommend hier eingetroffen. Habe noch weiteres zu erledigen und musste daher Urlaubsverlängerung nehmen. Pastor Reinhardt predigt am Himmelfahrtstag vormittags in Morsum mit Abendmahl. Herr Kruse gibt durch die Schule dies bekannt, an den ich auch schreibe. Ich komme auf alle Fälle über Helgoland. Bitte bestelle Reinhard Hansen ab. Bei diesem regnerischen Wetter will ich nicht nochmals über Klanxbüll fahren, es wird zu viel gutes Zeug aufs Spiel gesetzt. Schade, dass keine passfreien Züge [über das jetzt dänische Hoyerschleuse] fahren. Aber nun kommt alles zurecht.
Herzlich Grüße Hans
Endbrücke bei Nösse, 6.12.1924. Ein Zug von Menschen
zur Weihe der Nösse-Brücke durch
Pastor Johler, dem Anfang des syltseitigen Dammbaus zum Festland:
"Mögen die Fussstapfen der Baumeister und Arbeiter im Wattenmeer
sein wie von Eisen und Erz, und alles menschliche Wirken dem Weltenbaumeister
befohlen sein!" Die Sylter Zeitung bezeichnete die Rede Johlers als "eindurcksvolle Einweihungsrede".
Die 260 Meter lange Nösse-Anlegebrücke diente als Umschlagplatz für
die benötigten Materialien von Schuten aus Husum auf die Schmalspurbahn zur Dammbaustelle. Zwei 2,5t-Portaldampfkräne
übernahmen den Umschlag. (vgl. Rolf Stumpf, die Eisenbahn nach Sylt,
S. 55f.)
Archsum 6.4.1925. Diese Männer bauen den Damm auf Sylt. Pastor Johler
notiert sich soweit bekannt die Namen auf den Abzügen. Er selbst steht mit Fliege und Kappe hinten in der Mitte. Die Postkarte verschickt er auch an Ada Lauritzen in Tinnum. Sie ist vermutlich mit auf dem Bild. Wo ist sie bloß?
Unter den Arbeitern ist auch Johann Heicksen aus Morsum. Er ist der Bruder von Magda Caroline Heicksen, der zweiten Frau von Andreas Lauritzen. 4.v.l. ist Schachtmeister Peter Hennesen, von Hans Johler fälschlicherweise Hennissen geschrieben. Auch im Bild Georg Cornelius Cornelisen aus Morsum. Wegen so vieler Morsumer in einer Arbeitsgruppe könnte es sich bei Emil P. um Emil Petersen aus Morsum handeln.
Emil Petersen * 13.05.1898 in Morsum, + 30.06.1983
Georg Cornelisen (l.) * 04.07.1893 in Morsum, + 16.10.1978 in Morsum und Johann Heicksen(r.)* 29.01.1901 in Morsum
+ 04.05.1954 in Westerland
Schachtmeister Peter Hennesen
Blick von Nösse auf die Dammbaubaustelle und das Watt.
Am 18. Januar 1926 reist der Morsumer Pastor Hans Johler mit seiner Schwester
Irmgard von Hamburg nach Morsum. Die Fähre von Hoyerschleuse nach Munkmarsch kann wegen Eisgangs nicht fahren.
Irmgard schreibt dazu ins Gästebuch: "Winter auf Sylt! Über die Spundwand kamen Hans u. ich hierher. Es war dieses ein einzigartiger Spaziergang. Unvergesslich! Der Himmel grau in grau. Zu beiden Seiten das mit Eisschollen bedeckte Meer. Große Vögel kreischten ringsum; sonst eine weite Stille. Man durfte schon an eine Nordpolgegend dabei denken. Als dann leider sehr bald die Dunkelheit hereingebrochen war, zog sich der `Übergang nach Sylt`sehr in die Länge. Und als wir dann von Nösse nach Morsum noch durch hohen Schnee gehen mussten, waren wir doch froh, als wir unser Ziel erreicht hatten. Im Pastorat lernte ich dann mit großer Freude mein erstes Nichtchen u. liebes Patenkind kennen." Dabei handelte es sich um Karin Johler, später verheiratete Lauritzen.
Auch Hans beschreibt die
Situation in einem Brief an seine Ehefrau Elwine, die sich wegen ihrer Schwangerschaft mit Sohn Roland bei ihren Eltern in Lübeck aufpäppeln lässt.
" Morsum/Sylt d. 21. Jan. 1926
Liebe Elwine,...Montag fuhr ich mit Irmgard [von Hamburg] nach Klanxbüll. Aber es gab keinen Urlauberzug, da die Arbeiter wegen der Kälte und Schnee am Sonnabend vorher entlassen waren. Wir gingen zu Fuß, da das Wetter milde war. Aber bei der reichlichen Kleidung [vermutlich Irmgards Gepäck] war der Weg zumal im Dunkeln und im Schnee – oft gab es tiefe Stellen, Verwehungen auf dem geschütteten Damm – mühsam. Nach längerem Warten am Fernsprecher in Klanxbüll gingen wir gegen 4 Uhr los und kamen gegen 10 Uhr im Pastorat an. Der Weg von Nösse hierher war noch der schlimmste, weil wir die Schneemassen im Dunkeln nicht umgehen konnten.
Am Dienstag habe ich mich dann durch die Post gemüht, am Mittw. nach dem Konfirmandenunterricht kam Griebel und plauderte einige Stunden [Dammbauingenieur Regierungsbaumeister Ludwig Wilhelm Griebel (Keitum)]. Seine Frau fährt heute mit dem Schlitten nach Westerland. Heute habe ich Frau Ball besucht [vermutlich Petrine Louise Ball geb. Petersen] und Julius-Omine Matzen u. auch Andr[eas] Lauritzen. ...- Der Dampferverkehr ist eingestellt, vermutlich wird die Post wieder über die Spundwand befördert, aber es steht noch nicht fest.
Kaufe bitte 1 Huhn oder fette Ente.dort, jede Woche einmal, denn ich weiß nicht, ob unser junger weißer Hahn bei der neuen Kälte nicht wieder abgemagert ist und wie schnell er durch die Post befördert werden kann. Aber sonst sei zurückhaltend im Einkauf, bis auf kleine Annehmlichkeiten, die Du dir gönnen sollst. Nur größere Einkäufe dürfen wir jetzt nicht vornehmen. Griebel würde gern seine Frau nach Hamburg geben, hat aber Angst, dass sie in der „günstigen“ Einkaufszeit zu viel Geld ausgibt. -
Du, [meine] Mutter [Marie] Johler ist uns gut gesonnen, will auch im Sommer mal kommen. Mir scheint, sie ist viel milder geworden, was durch ihren kränklichen Zustand sehr befördert wird. So hab ich sie seit unserer Verlobung noch nicht gesehen. Es war gut von ihr, dass sie Irmgard mitgab, gut gemeint und überhaupt, wegen der Leute, gerade wegen recht kleiner Leute, ]von denen unsereiner in der Stellung mit abhängt. - Na, und die Hauptsache: [unserer 11 Monate alte Tochter] Karin geht es [hier] sehr gut. Und auch sonst scheint alles in Ordnung zu sein. Grüße [unseren Sohn] Ekkehard und die Deinen. Ich wünsche Euch zusammen schöne Tage. Das Wiederkommen hängt ja auch am Wetter, aber es kann ja bald umschlagen.
Herzlich
Dein Hans"
Brief von Hans an Elwine in Morsum
Wandsbek, d. 7.2.1927
Liebe Elwine,
Soeben habe ich vom Bett aus mit Dir verhandelt am Fernsprecher – bequem, was? Nun will ich Dir noch etwas ausführlicher schreiben. Also: den Dampfer [in Munkmarsch] erreichte ich gerade noch, als das Laufbrett weggezogen wurde! In Hoyer Schleuse gab es im kalten großen Saal Aufenthalt: 2 ½ Stunden! Der dänische Zug war kalt und hielt in Hoyer schon wieder ½ Stunde, dann in Tondern ¼ Stunde, in Süderlügum etwa ½ Stunde. In Heide kamen wir gegen 12 Uhr [nachts] an. Verschiedentlich saß ich mit Grippekranken zusammen. In Heide gab es kein Nachtquartier – alles besetzt wegen Markt, Viehmarkt. Also spazieren bis 4 Uhr! 4 – 8 Uhr Heide – Hamburg. Kosten: 48 Mark bei 4. Klasse.
1)Kraftwagen 14,00 Mark
2)Kaffeebrot auf Dampfer 1,50
3)Kraftbrühe in der Schleuse 4,00
4)Dampferkarte 9,00
5)Fahrkarte (mit Nachlösen) 7,50
6)Würstchen in Süderlügum 2,00
7)KaffeeHeide (Runde) usw. 6,00
8)Cigarren 4,00
Gesamtansicht der Dammbaubaustelle. Im Vordergrund der Lagerpatz für den Dammbau auf Nösse südlich der heutigen Schienen.
An diese Anlegebrücke auf Nösse werden Schiffe aus Husum entladen, die Baumaterial herbeischaffen. Die beiden Portalkräne heben die Lasten direkt auf die Bauzüge.
Westerland,
2.4.1927. Dammbauarbeiter der Firma Fix, die die Erdarbeiten auf Sylter Seite ausführte. Der Mann in der Mitte ist vermutlich Andreas Fix, der für die Firma Fix das Bauprojekt leitete. Der vom Schornstein abgehende Strich führt zu Regierungsbaumeister Ludwig Wilhelm Griebel (Keitum).
Die Bauleitung. Links im Bild Regierungsbaurat Dr. Ing. Pfeiffer vom Neubauamt Dammbau Sylt.
Hintergründe zur Blumenübergabe an den Reichspräsidenten von Hindenburg auf dem Morsumer Bahnhof:
Auszug aus der von Hans Johler angefertigten Familienchronik
Mit diesem in Kladde vorliegenden Brief hat Pastor Hans Johler die Übergabe der Blumen an den Reichspräsidenten angeregt.
Die schnelle Antwort aus dem Büro des Reichspräsidenten.
Von wem der Landrat den Auftrag bekommen hat, die Blumenübergabe so kurz wie möglich stattfinden zu lassen, ist nicht bekannt. Vielleicht war es seine eigene Initiative, denn er war pikiert darüber, dass Pastor Johler den Dienstweg über ihn nicht eingehalten hat.
Pastor Johler hatte allen Grund, den Dienstweg zu umgehen.
Sein Schreiben an den Reichspräsidenten hat er erst gut vier Wochen vor der Einweihung des Damms formuliert. Eile war also angesagt.
Auszug aus der Sylter Zeitung über den Besuch des Reichspräsidenten.
Die Begründung des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn für den Namen Hindenburgdamm im Wortlaut:
Wie dieser Damm hat auch das deutsche Volk schwere Stürme über sich ergehen lassen müssen. Doch auch das deutsche Volk hat in der Kriegszeit (des ersten Weltkriegs, d.V.) seinen schützenden Damm gehabt, und dieser Damm war verkörpert in der Person unseres allverehrten Herrn Reichspräsidenten, der damals mit seinem Schwert die deutschen Lande frei hielt von feindlicher Zerstörung. Er war es, der unerschütterlich blieb in den Zeiten des Aufruhrs und der Wirrsal, unbeirrbar seiner Pflicht nachgehend im Dienste seines Vaterlandes, und, als das deutsche Volk ihn zu seinem Reichspräsidenten erwählte, war er es, der immer wieder, und noch in diesen Tagen darauf hinwies, dass nur die Einigkeit der deutschen Stämme für die Befreiung von Bruderhass und Parteizwist einen Schutzdamm bilden können gegen fremde Anmaßung und innere Wirren. Darum wollen wir den neuen Damm auf seinen Namen taufen. Er heiße:“Hindenburg-Damm“. Hamburger Nachrichten 2.6.1927
Der Damm steht! Der Name bleibt! Der Streit auch!
Die Begründung des Reichsbahnpräsidenten Dr. Dorpmüller für den Namen Hindenburgdamm kann aus heutiger Sicht nicht mehr überzeugen. Hindenburgs Rolle im Ersten Weltkrieg als Oberbefehlshaber der 8. Armee wird von Historikern kaum noch als herausragende militärische Leistung angesehen. Der Sieg bei Tannenberg über die russische Armee 1914 begründet aber einen auf ihn gemünzten Mythos, der hilft, 1925 und ein zweites Mal 1932 in direkter Wahl zum Deutschen Reichspräsidenten gewählt zu werden. Wikipedia. In dieser Rolle setzt er sich dann (zusammen mit anderen) über den demokratischen Auftrag der Weimarer Verfassung hinweg und macht dadurch eine politische Unkultur salonfähig, indem er sich „besonders skrupellos für antidemokratische Interessen einsetzt.“ Brandt, Machtan Das begünstigt den Wahlsieg der NSDAP und ermöglicht die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Paul von Hindenburg.
Insofern ist es auf den ersten Blick nachvollziehbar, einen anderen Namen zu fordern. Der Zeitgeist hat sich geändert. Das tut der aber immer wieder. Soll man jedes Mal umbenennen? Ich denke, der Damm ist kein Fußballstadion, wo wir uns daran achselzuckend gewöhnt haben. Der Name Hindenburgdamm passt zur Zeit und zu den Feierlichkeiten seiner Einweihung. Er ist zu einem Teil unserer Geschichte und des Markenkerns der Insel Sylt geworden. Viele Inselbesucher assoziieren mit Hindenburg vor allem den freundlichen älteren Herrn, der am Morsumer Bahnhof von der 2-jährigen Karin Johler einen Blumenstrauß durchs Zugfenster überreicht bekommt.
Dieses Bild können wir allerdings nicht unkommentiert stehen lassen. Wir sollten vielmehr Hindenburgs Präsenz in unseren Köpfen dazu nutzen, uns kritisch mit dem Wirken dieses Mannes auseinanderzusetzen. Dabei kann der Namensstreit helfen. Solange er anhält sind wir gezwungen, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, warum so viele Deutsche Hindenburg gewählt haben und ihm bei der Eröffnung des Damms zujubelten. Das ist wichtig, um das heutige Handeln rechter Politiker durchschaubar zu machen.
Den Namen Hindenburg in der Versenkung verschwinden zu lassen, verdeckt nur sein problematisches Handeln und vergibt eine Chance zu politischer Bildung.
Zum Nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg
Peter Brandt, Lothar Machtan, Zerstörer der Weimarer Republik, SZ 23.6.2021
Ekkehard Lauritzen
Morsum 1923. Die Hyperinflation in Deutschland gefährdet den Dammbau langfristig, gibt ihm aber kurzfristig zeitweilig Schub. Arbeiter können mit weitgehend wertlosem Geld leichter bezahlt werden. Dieser Brief an Pastor Johler illustriert die damalige Inflation. Der Brief benötigte so viele Briefmarken je 5 Millionen Mark pro Stück, dass sie nicht mehr auf den Umschlag passten. Sie kleben seitwärts und hinterrücks auf dem Brief. Das Porto betrug 160 Millionen Mark. Der Brief ging mit Poststempel vom 8.11.1923 von Klanxbüll nach Morsum.
Gegen Ende des 1. Weltkriegs wird Metall knapp. Deshalb wird auch Münzgeld eingeschmolzen. Es ist also wenig Kleingeld im Umlauf. Um dieser Knappheit entgegenzuwirken, geben
viele Gemeinden Notgeld aus, das aus Papier besteht. In Morsum gibt es Notgeld als 1 Mark mit dem Motiv Eisboot und 2 Mark mit dem Motiv Morsum Kliff. Dieses Geld wird oft nur innerhalb der eigenen Gemeinde akzeptiert.